Ein plötzlicher Todesfall
verschwunden war. Wahrscheinlich lag es daran, dass Colin sie hatte nachsitzen lassen. Tessa hatte geglaubt, ihre und Krystals Beziehung sei stark genug, das auszuhalten. Doch sie war nie so gut gewesen wie die zwischen Krystal und Barry.
(Tessa war dabei gewesen, als Barry mit einer Rudermaschine in der Winterdown auftauchte und Freiwillige für eine Schulmannschaft suchte. Sie war vom Lehrerzimmer in die Turnhalle beordert worden, weil die Sportlehrerin sich krankgemeldet hatte, und die einzige Lehrkraft, die sie so kurzfristig als Vertretung auftreiben konnten, ein Mann war.
Die Mädchen der Mittelstufe in ihren Shorts und Aertex-Tops hatten gekichert, als sie in die Turnhalle kamen und feststellten, dass Miss Jarvis abwesend war und dafür zwei fremde Männer vor ihnen standen. Tessa hatte Krystal, Nikki und Leanne ermahnen müssen, die sich vor die Klasse geschoben hatten und obszöne Andeutungen über den Vertretungslehrer machten. Er war ein gutaussehender junger Mann, der unglücklicherweise dazu neigte, rot zu werden.
Barry, klein, mit rotblonden Haaren und Bart, trug einen Trainingsanzug. Er hatte sich den Morgen extra freigenommen. Alle hielten seine Idee für abwegig: Schulen wie Winterdown hatten keine Ruderachter. Niamh und Siobhan waren durch die Anwesenheit ihres Vaters teils belustigt, teils beschämt.
Barry erklärte, was er vorhatte: Mannschaften aufstellen. Er habe dafür gesorgt, dass sie das alte Bootshaus unten am Kanal in Yarvil benutzen konnten, und der Sport sei legendär, eine Gelegenheit zu glänzen, für sich selbst, für die Schule. Tessa hatte sich direkt neben Krystal und ihre Freundinnen gestellt, um sie in Schach zu halten. Ihre Kicheranfälle hatten nachgelassen, waren aber noch nicht gänzlich eingestellt.
Barry führte die Rudermaschine vor und bat um Freiwillige. Niemand meldete sich.
»Krystal Weedon«, sagte Barry und zeigte auf sie. »Ich habe dich unten im Park am Klettergerüst baumeln sehen, du hast die richtige Kraft im Oberkörper. Komm her und versuch es mal.«
Krystal hatte nichts dagegen, ins Rampenlicht zu treten, schlenderte zu der Maschine und setzte sich rein. Obwohl Tessa neben ihnen stand und sie wütend anschaute, brachen Nikki und Leanne in schallendes Gelächter aus, und der Rest der Klasse stimmte ein.
Barry zeigte Krystal, was sie machen musste. Der schweigende Vertretungslehrer hatte mit berufsbedingter Besorgnis zugesehen, wie Barry die Hände des Mädchens an die Holzgriffe legte.
Keuchend zog sie an den Seilen, schnitt Nikki und Leanne eine Grimasse, und alle lachten wieder.
»Jetzt seht euch das an«, sagte Barry strahlend. »Sie ist ein Naturtalent.«
War Krystal wirklich ein Naturtalent gewesen? Tessa hatte keine Ahnung vom Rudern und konnte das nicht beurteilen.
»Richte dich gerade auf«, wies Barry sie an, »sonst verletzt du dich. Genau so. Zieh, zieh ⦠Seht euch diese Technik an, hast du das schon einmal gemacht?«
Dann hatte Krystal sich tatsächlich aufgerichtet, und sie hatte es wirklich richtig gemacht. Sie hörte auf, zu Nikki und Leanne hinüberzuschauen. Sie fiel in einen Rhythmus.
»Ausgezeichnet«, sagte Barry. »Seht nur ⦠ausgezeichnet. So wird es gemacht! Und noch einmal. Und noch einmal. Und â¦Â«
»Aua!«, schrie Krystal.
»Ich weiÃ, das tut weh. So bekommst du am Ende Arme wie Jennifer Aniston«, sagte Barry.
Gelächter ertönte, und diesmal lachten sie mit ihm. Wie hatte Barry das nur gemacht? Er war stets so präsent, so natürlich, so gänzlich ohne Befangenheit. Tessa wusste, dass Jugendliche von der Angst zerrissen waren, sich lächerlich zu machen. Wer sie nicht hatte â und in der Erwachsenenwelt gab es weià Gott wenige dieses Kalibers â, besaà bei den Teenagern eine natürliche Autorität. Solche Menschen sollten unterrichten.
»Und Pause!«, rief Barry. Krystal sackte mit hochrotem Gesicht in sich zusammen und rieb sich die Arme.
»Du wirst das Rauchen aufgeben müssen, Krystal«, sagte Barry, und auch diesmal wurde er mit lautem Gelächter belohnt. »Okay, wer will es noch probieren?«
Als Krystal wieder zu ihren wartenden Klassenkameradinnen trat, lachte sie nicht mehr. Neidisch beobachtete sie jede neue Ruderin, wobei ihre Blicke ständig zu Barrys bärtigem Gesicht schossen, um zu sehen, was er von ihnen hielt. Als Carmen
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