Ein plötzlicher Todesfall
Banane. Geschmack und Konsistenz waren ungewohnt, und sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie es mochte oder nicht. Terri und Krystal kauften nie Obst.
Nikkis Mutter hatte sie gerade kurzerhand aus dem Haus geworfen.
»Wir haben zu tun, Krystal«, hatte sie gesagt. »Wir essen heute Abend bei Nikkis GroÃmutter.«
Nachträglich war sie auf die Idee gekommen, Krystal die Banane in die Hand zu drücken, als Frühstück. Krystal war gegangen, ohne zu protestieren. Am Küchentisch war kaum genug Platz für Nikkis Familie.
Fields wurde im Sonnenschein nicht schöner, lediglich Schmutz und Zerstörung waren besser sichtbar, Risse in den Betonmauern, vernagelte Fenster und Abfall.
Der Marktplatz in Pagford wirkte wie frisch gestrichen, sobald die Sonne schien. Zweimal im Jahr hatten die Grundschulkinder einen Spaziergang durch die Ortsmitte gemacht, immer schön in Zweierreihen, um zu Weihnachten und zu Ostern an den Gottesdiensten teilzunehmen. (Niemand hatte Krystal jemals an die Hand nehmen wollen. Fats hatte den anderen gesagt, sie habe Flöhe. Sie fragte sich, ob er sich daran wohl noch erinnerte.) Blumen wuchsen in groÃen Kübeln. Lila, rosa und grüne Tupfer, und jedes Mal, wenn Krystal an einem der Pflanzkübel vor dem Black Canon vorbeigekommen war, hatte sie ein Blütenblatt abgerissen. Sie hatten kühl und glatt zwischen ihren Fingern gelegen und wurden rasch glitschig und braun, wenn Krystal sie umklammerte, und für gewöhnlich hatte sie ihre Hand dann an der Unterseite einer warmen Kirchenbank in St. Michael abgewischt.
Sie schloss die Haustür auf und sah sofort durch die offene Tür zu ihrer Linken, dass Terri nicht ins Bett gegangen war. Ihre Mutter saà mit geschlossenen Augen und offenem Mund in ihrem Sessel. Krystal lieà die Tür ins Schloss fallen, doch Terri rührte sich nicht.
Krystal war mit vier Schritten bei Terri, packte einen dünnen Arm und schüttelte sie. Terri sank der Kopf auf die eingefallene Brust. Sie schnarchte.
Krystal lieà sie los. Der Anblick eines toten Mannes im Badezimmer versank wieder in ihrem Unterbewusstsein.
»Blöde Schlampe«, sagte sie.
Dann fiel ihr auf, dass Robbie nicht da war. Sie stürmte die Treppe hinauf und rief nach ihm.
»Bin hier«, vernahm sie ihn aus ihrem Zimmer.
Sie schob die Tür mit der Schulter auf. Und da stand Robbie vor ihr, nackt. Hinter ihm lag Obbo auf Krystals Matratze und kratzte sich die bloÃe Brust.
»Was geht, Krystal?«, fragte er grinsend.
Sie packte Robbie und zog ihn in sein Zimmer. Ihre Hände zitterten so stark, dass sie eine Ewigkeit brauchte, um ihn anzuziehen.
»Hat er was mit dir gemacht?«, flüsterte sie Robbie zu.
»Hab Hunger«, quengelte Robbie.
Als er angezogen war, nahm sie ihn auf den Arm und lief hinunter. Sie hörte, wie Obbo sich in ihrem Zimmer bewegte.
»Wieso ist der hier?«, schrie sie Terri an, die verschlafen in ihrem Sessel aufwachte. »Wieso ist der bei Robbie?«
Robbie strampelte, um sich aus ihren Armen zu befreien, denn Streit konnte er nicht leiden.
»Und was ist das, verdammte ScheiÃe?«, kreischte Krystal. Ihr fielen die zwei schwarzen Reisetaschen neben Terris Lehnstuhl auf.
»Nix«, erwiderte Terri undeutlich.
Doch Krystal hatte einen ReiÃverschluss schon aufgerissen.
»Ist nix!«, rief Terri.
BacksteingroÃe Haschischblöcke, fein säuberlich in Frischhaltefolie verpackt. Krystal, die kaum lesen konnte, die nicht einmal die Hälfte des Gemüses in einem Supermarkt hätte identifizieren können, die den Namen des Premierministers nicht gewusst hätte, wusste sehr wohl, dass der Inhalt der Tasche, wäre er im Haus entdeckt worden, ihre Mutter ins Gefängnis gebracht hätte. Dann sah sie die Dose mit dem Kutscher und den Pferden auf dem Deckel, die halb unter Terris Sessel hervorschaute.
»Du hast gespritzt«, sagte Krystal tonlos, während eine unsichtbare Katastrophe auf sie niederstürzte und alles unter sich zerstörte. »Du hast dir die verfickte Nadel â¦Â«
Sie hörte Obbo auf der Treppe und schnappte sich Robbie. Er jaulte und strampelte auf ihrem Arm, verängstigt durch ihre Wut, aber Krystals Griff war eisern.
»Lass ihn los, verdammt«, rief Terri ohne Erfolg. Krystal hatte die Haustür aufgerissen und rannte, so schnell sie konnte, die StraÃe entlang, behindert von Robbie, der sich wehrte und
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