Ein plötzlicher Todesfall
Samantha.
»Warum?«, wollte Miles wissen, fügte dann aber rasch hinzu: »Ist es dein Geschäft? Ist das der Grund?«
»Teilweise«, sagte Samantha. »Vor allem hasse ich das Leben in Pagford. Ich hasse es, deinen Eltern so dicht auf der Pelle zu hocken. Und manchmal«, sagte sie bedächtig, »hasse ich es, neben dir wach zu werden.«
Sie dachte, er könnte wütend werden, doch stattdessen fragte er nur ganz ruhig: »Soll das heiÃen, du liebst mich nicht mehr?«
»Ich weià nicht.«
In seinem offenen Hemdkragen wirkte er dünner. Zum ersten Mal seit langer Zeit glaubte sie in dem alternden Körper auf der anderen Seite des Tisches jemanden zu erkennen, der vertraut und verwundbar war. Und er will mich noch immer , dachte sie verwundert, als ihr das zerknitterte Gesicht im Spiegel einfiel.
»In der Nacht, als Barry Fairbrother starb, war ich froh, dass du noch am Leben warst. Ich habe geträumt, du wärst tot, und bin wach geworden, und ich weiÃ, ich war glücklich, als ich dich neben mir atmen hörte.«
»Und das â das ist alles, was du mir zu sagen hast? Du bist froh, dass ich nicht tot bin?«
Sie hatte sich getäuscht in der Annahme, er sei nicht wütend. Er war fassungslos gewesen.
» Das ist alles, was du mir zu sagen hast? Du lässt dich beim Geburtstag meines Vaters volllaufen â¦Â«
»Wäre es besser gewesen, wenn es nicht die Feier deines verdammten Vaters gewesen wäre?«, schrie sie. »Ist das das eigentliche Problem, dass ich dich vor Mummy und Daddy blamiert habe?«
»Du hast einen Sechzehnjährigen geküsst.«
»Vielleicht ist er nur der Erste von vielen!« Samantha stand auf und knallte ihren Becher so vehement in die Spüle, dass nur noch der Henkel in ihrer Hand blieb. »Kapierst du es nicht, Miles? Ich hab die Nase voll! Ich hasse dein verficktes Leben, und ich hasse deine beschränkten Eltern â¦Â«
»Du hast aber nichts dagegen, dass sie die Ausbildung der Kinder bezahlen.«
»Ich kann es nicht ausstehen, wenn du dich vor meinen Augen in deinen Vater verwandelst.«
»Absoluter Blödsinn, du magst nur nicht, wenn ich glücklich bin und du nicht!«
»Wohingegen mein ach so lieber Ehemann sich einen Dreck darum schert, wie es mir geht!«
»Hier gibt es jede Menge für dich zu tun, aber du sitzt ja lieber zu Hause und schmollst â¦Â«
»Ich habe nicht mehr vor, zu Hause herumzusitzen, Miles â¦Â«
»â¦Â und werde mich nicht dafür entschuldigen, mich für die Gemeinschaft einzusetzen.«
»Na ja, mir war es schon ernst damit â du bist nicht geeignet, in seine FuÃstapfen zu treten !«
»Was?« Sein Stuhl kippte hintenüber, als er aufsprang, während Samantha zur Tür ging.
»Du hast schon richtig gehört«, rief sie. »Wie ich in meinem Brief schon sagte, Miles, du bist nicht geeignet, in Barry Fairbrothers FuÃstapfen zu treten. Er war aufrichtig.«
» Dein Brief?«, fragte er.
»Jep«, sagte sie atemlos mit der Hand an der Türklinke. » Ich habe den Brief geschrieben. Zu viel getrunken an einem Abend, an dem du deine Mutter an der Strippe hattest. Und«, sie zog die Tür auf, »ich habe bei der Wahl auch nicht für dich gestimmt.«
Sein Gesichtsausdruck verunsicherte sie. DrauÃen im Flur schlüpfte sie in Clogs, das erste Paar Schuhe, das sie fand, und war aus der Haustür raus, bevor er sie einholen konnte.
IX
Krystal fühlte sich in ihre Kindheit zurückversetzt. Sie hatte diese Strecke nach St. Thomas jeden Tag bewältigt, ganz allein, mit dem Bus. Sie wusste, wann die Abtei in Sichtweite kommen würde, und sie wies Robbie darauf hin.
»Siehst du die groÃe kaputte Burg da?«
Robbie hatte Hunger, war aber etwas abgelenkt, weil er in einem Bus saÃ. Krystal hielt ihn fest an der Hand. Sie hatte ihm etwas zu essen versprochen, wenn sie am anderen Ende aussteigen würden, wusste aber nicht, woher sie es bekommen sollte. Vielleicht könnte sie sich von Fats Geld für eine Tüte Chips leihen, und dann auch noch für die Rückfahrt.
»Hier war ich auf der Schule«, erzählte sie Robbie, während er seine Finger an der schmutzigen Scheibe abwischte und abstrakte Muster hinterlieÃ. »Und du gehst da auch hin.«
Wenn man ihr aufgrund ihrer Schwangerschaft Wohnraum zuteilte, würde man ihr
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