Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein plötzlicher Todesfall

Ein plötzlicher Todesfall

Titel: Ein plötzlicher Todesfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne K. Rowling
Vom Netzwerk:
tragische Heldin. So hatte sie es sich nicht vorgestellt.
    Â»Shirley?«
    Ruth Price kam in ihrer Schwesterntracht in den Raum gestürmt, das schmale Gesicht mitfühlend verzogen.
    Â»Ich habe es gerade erfahren, und ich musste einfach herkommen. Shirley, wie schrecklich, es tut mir ja so leid.«
    Â»Ruth, du Liebe«, sagte Shirley. Sie stand auf und ließ sich umarmen. »Das ist so nett. Wirklich.«
    Shirley stellte Miles und Samantha ihre Krankenhausfreundin liebend gern vor, um Ruths Mitleid und Freundlichkeit vor den beiden entgegenzunehmen. So in etwa hatte sie sich die Witwenschaft vorgestellt.
    Doch dann musste Ruth wieder an die Arbeit, und Shirley kehrte zu ihrem Plastikstuhl und ihren unangenehmen Gedanken zurück.
    Â»Er kommt wieder auf die Beine«, murmelte Samantha ihrem Mann gerade zu, der seinen Kopf an ihre Schulter gelehnt hatte. »Ich weiß, dass er es schafft. Das letzte Mal ging’s doch auch gut.«
    Shirley beobachtete die neonfarbenen kleinen Fische, die im Aquarium hin und her schossen. Sie wünschte, sie könnte die Vergangenheit ändern. Die Zukunft war ein unbeschriebenes Blatt.
    Â»Hat jemand Mo angerufen?«, fragte Miles nach einer Weile. Mit dem Handrücken wischte er sich über die Augen, während er mit der anderen Hand Samanthas Bein umfasste. »Mum, soll ich?«
    Â»Nein«, erwiderte Shirley kurz angebunden. »Wir wollen warten, bis wir Bescheid wissen.«
    Im OP oben quoll Howard Mollisons Körper über den Operationstisch. Seine Brust stand weit offen und gab die Ruinen von Vikram Jawandas Werk preis. Neunzehn Menschen gaben sich die größte Mühe, den entstandenen Schaden zu beheben, während die Maschinen, an die Howard angeschlossen war, leise piepsten und so bestätigten, dass er noch lebte.
    Und tief unten, in den Eingeweiden des Krankenhauses, lag Robbie Weedons Körper gekühlt und bleich in der Leichenhalle. Niemand hatte ihn ins Krankenhaus begleitet, und niemand hatte ihn an seinem Metallschubfach besucht.
    III
    Andrew hatte es abgelehnt, sich nach Hause fahren zu lassen, deshalb saßen nur Tessa und Fats zusammen im Wagen, und Fats sagte: »Ich will nicht nach Hause.«
    Â»Gut«, erwiderte Tessa. Sie fuhr weiter, während sie über Handy mit Colin telefonierte. »Ich habe ihn … Andy hat ihn gefunden. Es dauert noch ein bisschen, bis wir da sind. Ja, ja, mache ich.«
    Tränen rannen Fats über das Gesicht, sein Körper gehorchte ihm nicht mehr. Genauso war es gewesen, als Simon Price dafür gesorgt hatte, dass Fats sich in die Hose machte und heißer Urin an seinem Bein entlanggelaufen war. Heiße, salzige Flüssigkeit lief über sein Gesicht und klatschte wie Regentropfen auf seine Brust.
    Immer wieder stellte er sich die Beerdigung vor. Ein winzig kleiner Sarg.
    Er hatte es nicht tun wollen, solange der Junge in der Nähe war.
    Ob er jemals aus dem Schatten des toten Jungen heraustreten könnte?
    Â»Du bist also weggelaufen«, sagte Tessa kühl.
    Sie hatte gebetet, ihn lebend zu finden, aber ihre stärkste Empfindung war Abscheu. Seine Tränen besänftigten sie nicht. Sie war Männertränen gewohnt. Ein Teil von ihr schämte sich, dass er sich letzten Endes nicht doch in den Fluss gestürzt hatte.
    Â»Krystal hat der Polizei gesagt, dass sie mit dir in den Büschen war. Ihr habt ihn einfach sich selbst überlassen, wie?«
    Fats war sprachlos. Er konnte ihre Grausamkeit nicht fassen. Begriff sie denn nicht, welche Trostlosigkeit in ihm wütete, welches ätzende Gefühl des Schreckens?
    Â»Nun, ich hoffe, du hast sie geschwängert. Dann hat sie etwas, wofür sie leben kann.«
    Jedes Mal, wenn sie um eine Ecke bogen, dachte er, sie würde ihn nach Hause bringen. Am meisten hatte er sich vor Pingel gefürchtet, doch jetzt sah er keinen Unterschied mehr zwischen seinen Eltern. Er wollte aussteigen, aber sie hatte alle Türen verriegelt.
    Ohne Vorwarnung riss sie das Lenkrad herum und bremste. Fats, der sich an seinen Sitz klammerte, stellte fest, dass sie in einer Parkbucht auf der Umgehungsstraße nach Yarvil waren. Er befürchtete, sie würde ihm befehlen, den Wagen zu verlassen, und wandte ihr sein verquollenes Gesicht zu.
    Â»Deine leibliche Mutter«, sie schaute ihn an wie nie zuvor, ohne Mitleid oder Freundlichkeit, »war vierzehn Jahre alt. Das, was man uns sagte, vermittelte uns den Eindruck,

Weitere Kostenlose Bücher