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Ein plötzlicher Todesfall

Ein plötzlicher Todesfall

Titel: Ein plötzlicher Todesfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne K. Rowling
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Shirley, die jeden in Pagford kannte, auf den es ankam, hätte Schwierigkeiten gehabt, Ruths Mann zu erkennen, wenn er das Feinkostgeschäft betrat. Was dachte Ruth denn, wer überhaupt für ihn stimmen würde? Andererseits würden Howard und Aubrey von Shirley bestimmt erwarten, ganz beiläufig diese eine Frage zu stellen, das wusste sie.
    Â»Simon hat schon immer in Pagford gelebt, oder?«
    Â»Nein, er ist in Fields geboren«, sagte Ruth.
    Â»Ach«, sagte Shirley.
    Sie riss die Metallfolie von ihrem Joghurt, steckte den Löffel hinein und aß nachdenklich. Die Tatsache, dass Simon für Fields eingenommen sein würde, ganz gleich, wie es um seine Wahlaussichten stand, war auf jeden Fall bedeutsam.
    Â»Wird auf der Website stehen, wie man sich bewirbt?«, fragte Ruth, immer noch in der Hoffnung auf einen späten Schwall Hilfsbereitschaft und Begeisterung.
    Â»O ja«, meinte Shirley vage. »Ich denke schon.«
    III
    Andrew, Fats und siebenundzwanzig andere hatten am Mittwochnachmittag in der letzten Stunde »Spastmatik«, wie Fats es nannte. Sie waren die zweitschlechteste Mathegruppe, unterrichtet von der inkompetentesten Lehrerin der Schule, einer jungen Frau mit fleckigem Gesicht, die frisch vom Pädagogikstudium kam, keine Ordnung halten konnte und oft den Tränen nahe war. Fats, der während des letzten Jahres darauf hingearbeitet hatte, kontinuierlich seine Leistungen zu verschlechtern, war aus der besten Gruppe zu den Spastmaten herabgestuft worden. Andrew, der schon sein Leben lang Mühe mit Zahlen hatte, lebte in der ständigen Angst, in die schlechteste Gruppe abzusteigen, zusammen mit Krystal Weedon und ihrem Vetter Dane Tully.
    Andrew und Fats saßen nebeneinander in der letzten Reihe. Gelegentlich, wenn Fats genug davon hatte, den Klassenclown zu spielen oder den Unterricht noch mehr zu stören, zeigte er Andrew, wie man eine Aufgabe löste. Der Krach war ohrenbetäubend. Miss Harvey versuchte alle mit ihrer Bitte um Ruhe zu übertönen. Arbeitsblätter wurden mit Obszönitäten beschmiert, Schüler standen auf, liefen durchs Klassenzimmer, kratzten mit den Stuhlbeinen über den Boden, und kleine Geschosse flogen durch den Raum, sobald Miss Harvey nicht hinschaute. Manchmal schritt Fats unter einem Vorwand durchs Klassenzimmer und ahmte Pingels wippenden Gang und die steifen Arme nach. Hier kam Fats’ Humor am meisten zum Tragen. In Englisch, wo Andrew und er in der Gruppe der Besten waren, brauchte er Pingel nicht zur allgemeinen Erheiterung.
    Sukhvinder Jawanda saß direkt vor Andrew. Vor langer Zeit, noch in der Grundschule, hatten Andrew, Fats und die anderen Jungs Sukhvinder an ihrem blauschwarzen Zopf gezogen. Beim Fangenspielen konnte man sich daran am besten festhalten, und der lange Zopf war einst eine unwiderstehliche Versuchung gewesen, wenn er, wie jetzt, über ihrem Rücken hing, verborgen vor der Lehrkraft. Aber Andrew hatte nicht mehr das Verlangen, daran zu ziehen oder auch nur irgendetwas an Sukhvinder zu berühren, denn sie war eines der wenigen Mädchen, über das sein Blick ohne das geringste Interesse hinwegglitt. Seit Fats’ Hinweis hatte auch Andrew den dunklen Flaum auf ihrer Oberlippe wahrgenommen. Sukhvinders ältere Schwester Jaswant hatte eine geschmeidige, kurvenreiche Figur, eine winzige Taille und ein Gesicht, das Andrew vor dem Auftauchen von Gaia wunderschön vorgekommen war, mit hohen Wangenknochen, glatter, goldener Haut und mandelförmigen, schimmernden braunen Augen. Natürlich war Jaswant für ihn stets unerreichbar gewesen, zwei Jahre älter und das gescheiteste Mädchen der zehnten Klasse. Sie war sich ihrer Ausstrahlung und Anziehungskraft bis hin zum letzten geilen Lümmel bewusst.
    Sukhvinder war die Einzige im Raum, die überhaupt kein Geräusch machte. Mit dem gebeugten Rücken und dem über ihre Arbeit geneigten Kopf war sie anscheinend von einem Kokon der Konzentration umgeben. Sie hatte den linken Ärmel ihres Pullovers bis über die Hand heruntergezogen und das Bündchen zu einem wolligen Fäustling zusammengefasst. Ihre völlige Reglosigkeit wirkte fast demonstrativ.
    Â»Der große Hermaphrodit sitzt still und ruhig da«, murmelte Fats, den Blick auf Sukhvinders Hinterkopf gerichtet. »Schnurrbärtig und doch großbrüstig, sind Wissenschaftler nach wie vor verwirrt über die Widersprüchlichkeit dieses

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