Ein plötzlicher Todesfall
denken.)
Shirley und Ruth begrüÃten einander erfreut, aber an diesem Morgen war viel los, und es blieb keine Zeit für mehr als einen kurzen Wortwechsel über Barry Fairbrothers plötzlichen Tod. Sie vereinbarten, sich um halb eins zum Mittagessen zu treffen, und Shirley ging los, um den Bücherwagen zu holen.
Sie war in wunderbarer Stimmung, sah die Zukunft so deutlich vor sich, als wäre sie bereits eingetreten. Howard, Miles und Aubrey Fawley würden sich verbünden, um Fields für immer loszuwerden, und das wäre die Gelegenheit für ein festliches Mahl in Sweetlove House.
Shirley fand das Anwesen überwältigend: der riesige Garten mit der Sonnenuhr, den zurechtgestutzten Hecken und den Teichen, die groÃzügige getäfelte Halle und auf dem Flügel das in Silber gerahmte Foto des Besitzers, der Prinzessin Anne wohl gerade einen Witz erzählte. Shirley konnte im Verhalten der Fawleys ihr und ihrem Mann gegenüber keinerlei Herablassung entdecken. Sie konnte sich gut vorstellen, wie sie sich zu fünft zu einem privaten Dinner in einem jener reizenden Nebenzimmer niederlieÃen, Howard neben Julia, sie an Aubreys rechter Seite, und Miles zwischen ihnen. (In Shirleys Phantasie war Samantha unabkömmlich anderswo beschäftigt.)
Shirley und Ruth trafen sich um halb eins bei den Joghurts. Die Krankenhauskantine war noch nicht so voll, wie sie es um eins sein würde, und die beiden fanden ohne Schwierigkeit einen klebrigen, mit Krümeln bedeckten Zweiertisch an der Wand.
»Wie geht es Simon? Und was machen die Jungs?«, fragte Shirley, nachdem Ruth den Tisch abgewischt hatte. Sie stellten ihre Tabletts ab und setzten sich einander gegenüber, bereit zum Plaudern.
»Si gehtâs gut, danke. Bringt heute unseren neuen Computer nach Hause. Die Jungs sind schon ganz aufgeregt, wie Sie sich denken können.«
Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Andrew und Paul besaÃen beide billige Laptops. Der PC stand in der Ecke des kleinen Wohnzimmers, und keiner der Jungs rührte ihn an, da sie es vorzogen, möglichst nicht in die Nähe ihres Vaters zu kommen. Ruth sprach mit Shirley oft über ihre Söhne, als wären sie noch viel jünger: flexibel, lenkbar, leicht zu beschäftigen. Vielleicht versuchte sie sich jünger zu machen, um den Altersunterschied zwischen sich und Shirley hervorzuheben â der sich auf fast zwei Jahrzehnte belief â, um sie sogar noch mehr wie Mutter und Tochter erscheinen zu lassen. Ruths Mutter war vor zehn Jahren gestorben, und ihr fehlte eine ältere Frau in ihrem Leben. Shirleys Beziehung zu ihrer Tochter war, wie sie Ruth gegenüber angedeutet hatte, nicht die allerbeste.
»Miles und ich haben uns immer sehr nahegestanden. Patricia war allerdings eher schwierig. Sie ist jetzt in London.«
Ruth hätte gerne nachgehakt, aber eine Eigenschaft, die Shirley und sie gemeinsam hatten und an der anderen bewunderten, war vornehme Zurückhaltung, der Stolz darauf, der Welt eine glatte Oberfläche zu zeigen. Ruth schob daher ihre Neugier beiseite, doch insgeheim hoffte sie, irgendwann zu erfahren, was Patricia so schwierig machte.
Die spontane Sympathie zwischen Shirley und Ruth beruhte auf der gegenseitigen Erkenntnis, dass die andere eine Frau mit denselben Werten wie sie selbst war, eine Frau, deren gröÃter Stolz darin lag, die Zuneigung ihres Mannes errungen und sich bewahrt zu haben. Wie Freimaurer teilten sie einen grundlegenden Kodex und fühlten sich daher in der Gesellschaft der anderen auf eine Weise sicher, wie sie es bei anderen Frauen nicht waren. Ihre Freundschaft wurde durch ein Gefühl der Ãberlegenheit sogar noch inniger, denn beide bemitleideten die andere insgeheim wegen der Wahl ihres Gatten. Ruth fand Howards Körper grotesk, und es verblüffte sie, wie ihre Freundin, die sich eine mollige und doch zarte Schönheit erhalten hatte, je eingewilligt haben konnte, ihn zu heiraten. In Shirleys Augen, die sich nicht erinnern konnte, Simon je gesehen zu haben, nie von ihm in Verbindung mit den höheren Kreisen von Pagford gehört hatte, und für die Ruth nicht einmal ansatzweise am gesellschaftlichen Leben teilhatte, war Ruths Mann ein verbohrter Eigenbrötler.
»Also, ich habe gesehen, wie Barry von Miles und Samantha hergebracht wurde«, sagte Ruth und kam damit direkt auf das Wesentliche zu sprechen. Sie konnte ein Gespräch nicht so
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