Ein Pony mit Herz
besorgte. Und sie mußte so schnell wie möglich fort, am liebsten gleich.
Nein, gestand sich Mini ein, sie mußte bis morgen warten. Wenn sie den anderen beim Frühstück vorspielte, sie fühle sich elend und müsse in die Krankenstation hinauf, um sich ein Mittel dagegen geben zu lassen, würde das jeder verstehen. Und wenn sie dann nicht zum Unterricht erschien, würde sich niemand wundern. Frühestens am Nachmittag würde man nach ihr sehen und ihr Verschwinden bemerken. Den Rucksack allerdings versteckte sie schon jetzt im Park unter den Büschen, an einer Stelle, an der man sie vom Haus aus nicht beobachten konnte.
Mini ging sofort zu Bett. Wenn sie ein solches Abenteuer vor sich hatte, war es besser, ausgeruht zu sein. Doch es war ihr unmöglich einzuschlafen. Vor Aufregung tat sie kein Auge zu.
Am Morgen war sie blaß und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Als sie beim Frühstück kaum etwas anrührte, war keiner verwundert, daß sie sich mit „furchtbaren Kopfschmerzen“ entschuldigte und ging. Die Gespräche der anderen drehten sich um Zottels Abenteuer auf dem Weihnachtsmarkt und um die ungewöhnliche neue Ponystute Panja, und kaum jemand nahm von Minis Aufbruch Notiz. Es lief alles, wie sie es geplant hatte.
Erst beim Mittagessen fiel Frau Körber auf, daß Mini nicht erschienen war. Sie stand auf, um sofort auf der Krankenstation nach der Kleinen zu sehen, die sie seit langem besonders ins Herz geschlossen hatte.
Minuten später war das gesamte Internat in Bewegung. Die Nachricht von Minis Verschwinden breitete sich wie ein Lauffeuer aus, Schüler und Lehrer ließen das Essen stehen und begannen mit einer umfangreichen Suchaktion. Wohnhaus, Ställe, Reithallen und Scheunen, sämtliche Nebenräume, alle Winkel und Plätze wurden bis in die hintersten Ecken durchsucht. Andere durchkämmten den Park und das umliegende Gelände bis in den Wald hinein. Aber alles Suchen und Rufen half nichts. Von Mini fanden sie keine Spur.
Nach einer Stunde alarmierte Direktor Hütter die Polizei. An ein Verbrechen wollte niemand glauben, schließlich war Mini heute morgen noch beim Frühstück gewesen. Einen Unfall konnte man ausschließen, nachdem alles so gründlich durchsucht worden war. Aber daß Mini fortgelaufen war, konnten sie sich am allerwenigsten vorstellen!
Hauptwachtmeister Bode nahm sich als erstes die Zimmergenossinnen der Kleinen vor. Hatten sie nichts bemerkt? War Mini anders als sonst gewesen? Keiner konnte es sagen. Aufgefallen war ihnen nichts.
„Dann zeigt mir erst einmal den Schrank eurer Mitschülerin“, sagte der Hauptwachtmeister ernst. „Vielleicht finden wir da einen Hinweis!“
Caroline wies stumm auf Minis Schrank.
Bode öffnete ihn und hob wahllos das eine oder andere Kleidungsstück hoch.
„Weiß wenigstens einer von euch, was sie heute morgen trug? Jeans oder einen Rock?“
„Ich glaube, schwarze Jeans. Und einen grauen Rollkragenpullover oder so“, versuchte Mareike sich zu erinnern. Sie war erst seit einigen Monaten in Groß-Willmsdorf und hatte Mini besonders gern, weil sich die Kleine sofort unkompliziert und herzlich ihrer angenommen hatte. Jetzt sah man ihr die Angst und Sorge um die Freundin an.
„Oder so nützt mir nicht viel“, brummte Hauptwachtmeister Bode. „Schwarze Jeans also. Waren es diese?“ Er holte Minis verwaschene Reitjeans aus dem Schrank.
„Nein, die hatte sie gestern an. Beim Stalldienst“, erklärte Caroline.
Bode wollte das Kleidungsstück schon wieder in den Schrank legen, als ihm ein Gedanke kam. Er tastete die Hosentaschen ab. Es knisterte.
„Aha“, murmelte der Polizist und zog ein kleines, zusammengefaltetes Stück Papier heraus. „Sieht aus wie ein Brief!“ Umständlich suchte er nach seiner Brille und schob sie sich auf die Nase. Dann glättete er die Blätter sorgfältig und begann zu lesen. „Ein Brief von ihrer Mutter, scheint es.“
Gespannt beobachteten die Mädchen, wie Hauptwachtmeister Bode die Augenbrauen hochzog und die Stirn runzelte. Er brauchte lange zum Lesen. Schließlich sah er über die Brillengläser hinweg die Mädchen an. „Die Mutter schreibt, daß Mini in den Weihnachtsferien nicht zu den Eltern nach Florida kommen kam, weil ihr Vater krank und arbeitslos ist und sie nicht genug Geld für das Flugticket haben. Hat Mini euch davon erzählt?“
Die Mädchen sahen sich verdutzt an.
„Nein! Kein Wort!“ antwortete Caroline. „Wie schrecklich für sie, sie hat sich so auf ihre Eltern gefreut! Seit
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