Ein Prinz wie aus dem Maerchen
Mutter
war mittellos gestorben und hatte nur noch das Dach über dem
Kopf gehabt. Wenige Wochen nach der Geschichte mit Tariq hatte Adrian
beschlossen, das Haus ihrer Kindheit zu verkaufen.
"Okay,
Schwesterchen?" Es war eine Feststellung und keine Frage
gewesen.
Adrian
hatte sich nicht dafür interessiert, dass es seiner Schwester
das Herz gebrochen hatte, das Zuhause zu verlieren. Er hatte auch
nicht daran erinnert werden wollen, dass sie gehofft hatte, eine
Reitschule zu gründen, und nunmehr, da sie der Stallungen und
Weiden beraubt war, ihr geliebtes Pferd ebenfalls verkaufen musste.
Aber
Faye war es nicht gewohnt gewesen, sich selbst in den Mittelpunkt zu
stellen. In ihrer Kindheit und Jugend hatte man sie nicht ermutigt,
ihren eigenen Wünschen oder Bedürfnissen die gleiche
Bedeutung beizumessen wie denen anderer Menschen. Wie hätte sie
Adrians Entscheidung widersprechen können? Sie hatte durch ihren
Bürojob nicht genug verdient, um ihren Teil der Unterhaltskosten
tragen zu können. Also hatte Adrian das Land samt Gebäude
und Einrichtung veräußert, um das Kapital für seine
Baufirma zu beschaffen. Er hatte ihr versichert, sie würde an
den Früchten seines Erfolgs teilhaben. Zweifellos hätte er
sie großzügig an seinem Profit beteiligt, hätte er
denn welchen erwirtschaftet.
Und
was hatte Percy mit der halben Million Pfund von Tariq gemacht? Sich
in die eigene Tasche gestopft, nachdem er ihre Unterschrift gefälscht
hatte? Oder hatte Tariq ihm die Sache erleichtert, indem er den
Scheck auf den Namen ihres Stiefvaters ausgeschrieben hatte? Tariq,
der glaubte, alle Frauen verließen sich in finanzieller
Hinsicht auf den nächstbesten Mann.
Hatte
er mit dem Geld ihr Schweigen erkaufen wollen? Faye erschauerte. Eine
Entschädigung für die Hochzeit, die sie zunächst mit
kindlicher Freude erfüllt und sich dann als grausame Farce
erwiesen hatte? Die Erinnerung an jenen Tag in der Botschaft war ihr
unerträglich. Sie hatte wirklich geglaubt, es sei ihr
Hochzeitstag. Nach der Zeremonie hatte Tariq sie jedoch wie die
niederste Kreatur behandelt, hatte ihren Stolz, ihre Hoffnungen und
ihre Liebe zerstört.
"Scheidung
ist in meinem Land einfach", hatte er erklärt. "Ich
sage dreimal auf Arabisch 'Ich verstoße dich' und verneige mich
dabei in alle Himmelsrichtungen. Willst du mit ansehen, wie ich meine
Freiheit wiedererlange? Soll ich dir beweisen, was für ein
Schwindel die Trauung war?"
Niemals
würde sie den Schmerz und die Demütigung vergessen, die sie
an diesem Tag erfahren hatte. Der abweisende Bräutigam, der
arrogante, selbstgerechte Prinz, den die angebliche Hochzeit noch
wütender gemacht hatte. Er war einfach auf ihren Gefühlen
herumgetrampelt, als wäre sie ein Nichts, ein Niemand, auf den
man keine Rücksicht nehmen musste. War es da ein Wunder, dass
sie ihn hasste?
Ja,
sie hasste Prinz Tariq Shazad ibn Zachir. Trotzdem wurde sie noch
immer von jenem erschreckenden Verlangen gepeinigt, das ihr vorhin
den Verstand vernebelt hatte. Warum? Faye wollte nicht darüber
nachdenken. Nichtsdestotrotz hatte sie nicht die mindeste Absicht, in
den Harem zu ziehen! Tariq hatte es offenbar für einen guten
Witz gehalten. Nun, sie war nicht mehr ganz so grün hinter den
Ohren wie früher.
Adrian
musste aus dem Gefängnis befreit werden, bevor er ernstlich
krank wurde. In diesem Punkt hatte sie keine Wahl. Ungeachtet der
Konsequenzen? Plötzlich hatte sie eine Idee. Sobald Adrian sich
auf dem Heimflug nach London befand, war er in Sicherheit! Tariq
hatte sie eine Lügnerin und Betrügerin genannt. Warum
sollte sie sich anders verhalten? Er verdiente es, überlistet zu
werden. Er verdiente es, getäuscht zu werden. Für die
Sünde, einen Stiefvater zu haben, der geradewegs aus der Hölle
zu stammen schien, hatte sie bereits genug gebüßt.
"Kann
ich helfen?"
Faye
sah Latif vor sich und stand auf. "Ich würde gern
telefonieren."
Der
kleine Mann blickte unbehaglich drein.
"Sogar
einem Kriminellen wird normalerweise ein Anruf gestattet – aber
vielleicht nicht in einem so zivilisierten und humanen Land wie
Jumar", fügte sie bitter hinzu.
Latif
wurde rot und neigte den Kopf. "Hier entlang, bitte." Er
führte sie in ein Büro und ließ sie dann allein. Faye
rief ihren Stiefvater auf seinem Handy an.
"Faye?"
fragte Percy laut. "Welche Fäden du auch immer gezogen
hast, es funktioniert! Ich habe zwar noch keine endgültige
Bestätigung, aber so, wie es aussieht, wird Adrian am Nachmittag
frei sein und
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