Ein Prinz wie aus dem Maerchen
…"
"Beantworte
mir nur eine Frage", unterbrach sie ihn. "Am Tag der
Hochzeit habe ich dir einen Umschlag gegeben. Was hast du mit dem
Scheck darin gemacht?"
Nach
kurzem Schweigen räusperte sich Percy.
"Du
hast das Geld genommen, oder?" hakte sie angewidert nach. "Du
hast Tariq glauben lassen, er könnte mich kaufen – so als
wäre ich auch eine Erpresserin."
"Adrian
hat das meiste davon bekommen, ohne zu ahnen, woher es stammt. Hör
auf, von Erpressung zu reden, Faye. Ich habe lediglich deine
Interessen geschützt, und wenn Tariq für unser Schweigen
bezahlen wollte, warum hätte ich das Geld nicht nehmen sollen?"
verteidigte sich ihr Stiefvater. "Es ist in der Familie
geblieben."
"Du
bist ein Betrüger und ein Dieb. Du hast meine Mutter
ausgeplündert und mich ausgenutzt. Beleidige nicht meine
Intelligenz, indem du von Familie sprichst." Faye legte auf.
Hoch
erhobenen Hauptes kehrte sie zum Ausgang zurück und stieg in die
Limousine. "Wie gut glaubst du mich zu kennen?" hatte Tariq
gefragt. Nun, eines Tages würde er sich wundern, ob er sie je gekannt hatte!
Die
Fahrt nach Muraaba dauerte länger, als Faye vermutet hatte.
Nachdem sie die Stadtgrenze passiert hatten, erstreckte sich vor
ihnen meilenweit nichts als Wüste. Faye war fasziniert von der
Leere und den endlosen Sanddünen.
In
der Ferne sah sie ein massiges, von befestigten Mauern umgebenes
Gebäude, die immer höher wurden, je näher sie kamen.
Als der Wagen heranrollte, sprangen einige Einheimische auf, die im
Schatten gekauert hatten, und öffneten das Tor. Es gab insgesamt
zwei solide Eisentore, wie Faye registrierte, ein hohes äußeres
und ein niedriges im inneren Bereich.
Innerhalb
der Mauern erstreckten sich prächtige Terrassengärten in
alle Himmelsrichtungen. Sie hatte jedoch kein Auge für die
Schönheit, sondern zählte die Wachen und erkannte dabei,
dass Tariqs Wüstenpalast einer längeren Belagerung
wahrscheinlich standhalten würde. Ihre Zuversicht schwand. Der
vage Plan, innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden zu
fliehen, erwies sich als schwieriger, als sie naiverweise gehofft
hatte.
Ohne
auf die neugierigen Blicke und Tuscheleien zu achten, die ihr auf
ihrem Weg folgten, betrat Faye den Palast. Überall nahmen die
Soldaten Haltung an, präsentierten die Waffen und salutierten.
Sie ging weiter. Die Muraaba war ein altes Gebäude. Fantastische
Mosaiken in leuchtendem Türkis, Grün und Gold schmückten
die Wände der großen Halle, in der ihre Schritte
widerhallten.
Ein
Schmerzensschrei, gefolgt vom Ruf eines Kindes, durchbrach die Stille
und ließ Faye zunächst zusammenzucken und dann sofort nach
der Quelle suchen. Falls ein Kind verletzt worden war …
Auf
der Schwelle zu einem Raum blieb sie stehen. Die Szene, die sich ihr
bot, war so unglaublich, dass sie ihren Augen kaum traute. Drei
Dienstboten drängten sich wimmernd an die Wand, und ein vierter
– eine Frau – lag auf den Knien, während ein kleiner
Junge mit einer Rute auf sie einschlug. Einen Moment lang wartete
Faye darauf, dass jemand vom Personal eingreifen würde, aber es
schritt niemand ein, und das Opfer wirkte viel zu verschüchtert,
um sich zu wehren.
Faye
trat vor. "Hör auf damit!"
Der
Junge hielt kurz verwundert inne, dann machte er weiter.
"Hör
sofort auf!" befahl Faye kalt.
Prompt
stürmte das kleine Monster mit der Gerte auf sie zu! Sie beugte
sich vor und hob ihn hoch. Der dünne Stock entglitt seiner Hand.
Sie hielt ihn auf Armeslänge von sich entfernt, während er
seinen Wutanfall austobte und um sich trat, ohne sie oder sonst
jemanden zu verletzen. Er war noch sehr jung, aber sein Gesicht war
zu einer zornigen Fratze verzerrt.
"Lass
mich los!" schrie er. "Lass mich los, oder ich werde dich
auch auspeitschen!"
"Ich
lasse dich runter, wenn du aufhörst zu schreien."
"Ich
bin ein Prinz … Ich bin ein Prinz mit dem Blut der Könige
von Jumar!"
"Du
bist ein kleiner Junge." Erst jetzt bemerkte Faye das betretene
Schweigen der Anwesenden. Sie betrachtete die kostbar bestickte
Kleidung des Kindes. Als er nach ihr spuckte, schüttelte sie den
Kopf. "Kein Prinz mit dem Blut der Könige von Jumar würde
sich so benehmen."
Er
schob die Unterlippe vor. In seine großen braunen Augen traten
plötzlich Tränen. "Ich bin ein ibn Zachir. Ich bin ein
Prinz. Und du tust, was ich dir sage … Warum tust du nicht,
was ich dir sage?"
Von
einer Sekunde zur nächsten verwandelte er sich aus einem kleinen
Scheusal in ein Kind – in ein trauriges,
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