Ein Prinz wie aus dem Maerchen
schloss, fragte Tariq leise: "Möchtest
du, dass ich gehe?"
Sie
schloss die Augen und nickte steif. Erneut wurde die Tür leise
geöffnet und wieder zugemacht. Faye konnte nicht weinen.
Stattdessen blickte sie starr zur Zimmerdecke hinauf. Was hätten
sie einander noch sagen können? Sie war die ganze Zeit seine
Frau gewesen, aber er hatte diese Tatsache ignoriert, weil er nicht
die Absicht hatte, sie als Ehefrau zu behalten. Am schlimmsten war
jedoch, dass sie ihm sein Verhalten nicht verübeln konnte.
Welchen Sinn hätte es gehabt, sie über die Fakten
aufzuklären, wenn die Scheidung unweigerlich erfolgen würde?
Für sie hätte es lediglich bedeutet, die gleiche
Verzweiflung zum zweiten Mal durchleben zu müssen.
Warum,
um alles in der Welt, hatte er mit diesem Unsinn angefangen, dass sie
seine Frau bleiben sollte? Falls ihn sein schlechtes Gewissen dazu
getrieben hatte, so war das sein Problem. Für Faye gab es nur
einen Weg aus dem Dilemma: Scheidung. Kein weiteres Taktieren mehr.
Warum hatte er sich nicht schon im vergangenen Jahr von ihr getrennt?
Grenzenlose
Leere machte sich in ihr breit, und die Kopfschmerzen wurden
schlimmer. Nachdem sie zwei Aspirin geschluckt hatte, ging es ihr
bald besser, und sie schlief ein.
Als
Faye Stunden später erwachte, waren die Kopfschmerzen vollends
verschwunden. Sie betrachtete im Spiegel den schwarz-blauen
Bluterguss an ihrer Schläfe. Glücklicherweise verbarg ihr
Haar das Schlimmste. Nach einem Bad und einem leichten Lunch
inspizierte sie ihre Garderobe.
Die
Auswahl war gigantisch, die Sachen füllten einen ganzen Raum.
Erst vor einer Woche hatte Tariq Dutzende von Designer-Outfits aus
dem Ausland einfliegen lassen. Anfangs war sie wegen seiner
Großzügigkeit verlegen gewesen, doch dann hatte die
Versuchung gesiegt. Eitelkeit und der Wunsch, Tariq zu gefallen,
hatten über ihr Gewissen triumphiert.
Faye
entschied sich für ein elegantes Kostüm in einem warmen
Goldton. Sie wollte gut aussehen, wenn sie ihm mitteilte, dass sie
die Scheidung wünsche – er sollte merken, was er verlor,
auch wenn es sich nur um eine Bettgespielin handelte.
Als
sie nach unten kam, hörte sie, dass Tariq nicht mehr im Palast,
sondern in der Haja war. Sie bat um ein Transportmittel und musste
endlos lange warten, bis schließlich eine Limousine mit zwei
kleinen Flaggen von Jumar auf der Motorhaube vorfuhr. Zu ihrer
Überraschung wurde der Wagen von einer Motorradeskorte der
Polizei begleitet sowie von zwei Autos, die ihnen unmittelbar
folgten. Als die Kolonne die Stadt erreichte, wurden rote Ampeln
ignoriert und der übrige Verkehr gestoppt. Zum ersten Mal
dämmerte Faye, dass die Ehe mit Tariq mit einer normalen Ehe
nicht vergleichbar war und jeder kleine Ausflug, den sie vielleicht
machen wollte, Konsequenzen nach sich zog.
Latif
erwartete sie am Seiteneingang des riesigen Gebäudes. Er war
höchst besorgt über ihren Sturz und versicherte ihr, dass
in der Muraaba nunmehr jede Wendeltreppe restauriert und zur größeren
Sicherheit mit einem Handlauf ausgestattet werde.
Als
Faye in Tariqs Büro geleitet wurde, begann ihr Herz heftig zu
klopfen.
Er
stand am Fenster und blickte ihr entgegen. "Ich war sehr
erstaunt, als ich hörte, dass du hierher unterwegs seist. Du
bist recht blass. Setz dich", bat er. "Die Ärzte
meinten, du solltest ein paar Tage ruhen."
"Ich
stehe lieber." Seine ehrliche Fürsorge weckte ihren
Widerspruchsgeist. "So, wie du mich bei meinem ersten Besuch
hier hast stehen lassen."
"Du
solltest mich besser kennen. Mein Mangel an Höflichkeit war kein
Vorsatz, sondern ein Versehen. Unser Gespräch hat auch mich aus
der Fassung gebracht."
"Davon
habe ich nichts bemerkt."
"Es
hat mich schockiert, dass meine Frau nicht die leiseste Ahnung zu
haben schien, dass sie meine Frau ist", erwiderte er sanft.
"Nun,
die Sache ist jetzt nicht mehr wichtig. Ich weiß überhaupt
nicht, warum ich überhaupt erwähnt habe, dass du versucht
hast, mich in diesem albernen Hof bei lebendigem Leib zu kochen."
Tariq
kam näher. "So? Ich kann mir recht gut vorstellen, was du
in diesem Moment denkst und fühlst. Du bist gerade dabei, eine
lange Liste meiner Sünden zu erstellen, damit du sie wie eine
Mauer zwischen uns halten kannst."
"Ich
…"
"Damals
habe ich bei dir nicht anders reagiert. Auch ohne dich zu sehen, habe
ich immer neue Verfehlungen von dir gesammelt. Du hast nicht einmal
kondoliert, als mein Vater starb. Wir lebten zwar getrennt, aber du
warst meine Frau, und ich war
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