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Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Titel: Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Ihnen leider sagen«, sagte ich, »daß es zwecklos ist.«
    »Was ist zwecklos?«
    »Sie sind nicht mein Typ. Ich will Sie nicht ficken.«
    »Hören Sie«, sagte sie, »ich will Ihnen mal was sagen. Ich habe Sie letzte Nacht auf das Grundstück nebenan pissen sehen, und wenn Sie das noch mal machen, werde ich Sie hier rausschmeißen. In den Fahrstuhl hat auch jemand gepißt. Waren Sie das?«
    »Ich pisse nicht in Fahrstühle.«
    »Na jedenfalls, auf dem Grundstück nebenan habe ich Sie letzte Nacht gesehen. Ich habe Sie beobachtet. Das waren Sie.«
    »Nie im Leben.«
    »Sie waren zu betrunken, um sich noch dran zu erinnern. Machen Sie das nicht noch mal.«
    Die Tür fiel ins Schloß, und weg war sie.
     
    Ein paar Minuten später saß ich da und trank still meinen Wein und versuchte mich zu erinnern, ob ich tatsächlich auf das Grundstück gepißt hatte. Da klopfte es an die Tür.
    »Herein«, sagte ich.
    Es war Marty. »Ich muß dir unbedingt was sagen.«
    »Klar. Setz dich.«
    Ich goß Marty ein Glas Portwein ein, und er setzte sich damit hin.
    »Ich hab mich verliebt«, sagte er.
    Ich reagierte nicht. Ich drehte mir eine Zigarette.
    »Glaubst du an Liebe?« fragte er.
    »Muß wohl. Hab mal so was erlebt.«
    »Und wo ist sie jetzt?«
    »Weg. Tot.«
    »Tot? Wegen was?«
    »Trinken.«
    »Meine trinkt auch. Das macht mir Sorgen. Sie ist ständig voll. Sie kann nicht damit aufhören.«
    »Können wir alle nicht.«
    »Ich geh mit ihr zu den Anonymen Alkoholikern. Sie ist jedesmal betrunken, wenn sie hingeht. Die Hälfte von denen da unten bei den Anonymen Alkoholikern ist betrunken. Man kann ihre Fahnen riechen.«
    Ich sagte nichts.
    »Gott, sie ist jung. Und einen Körper hat die! Ich liebe sie, Mann, ich liebe sie wirklich!«
    »Ach komm, Marty, ist doch nur Sex.«
    »Nein, ich liebe sie, Hank. Wirklich, ich spüre es.«
    »Na ja, kann ja sein.«
    »Meine Güte, und sie muß da unten in einem Kellerraum hausen. Sie kann ihre Zimmermiete nicht bezahlen.«
    »Im Keller?«
    »Yeah, sie haben einen Raum da unten mit den ganzen Heizkesseln drin und so Kram.«
    »Kaum zu glauben.«
    »Yeah, da unten ist sie. Und ich liebe sie, Mann, und ich hab kein Geld, um ihr da rauszuhelfen.«
    »Das ist traurig. Ich war auch schon mal in so einer Situation. Tut weh.«
    »Wenn ich das Trinken aufstecken kann, wenn ich bloß zehn Tage lang die Kurve kriege und gesund lebe, dann kann ich mir einen Job besorgen und ihr helfen.«
    »Na«, sagte ich, »aber im Moment trinkst du noch. Wenn du sie liebst, dann hör mit der Trinkerei auf. Jetzt gleich.«
    »Weiß Gott«, sagte er, »das werd ich! Ich werde diesen Drink in den Ausguß schütten!«
    »Werd nicht melodramatisch. Schieb mir das Glas hier rüber.«
     
    Ich fuhr mit dem Fahrstuhl und einer billigen Flasche Whisky, die ich vor einer Woche aus Sams Spirituosen laden gestohlen hatte, runter ins Erdgeschoß. Dann ging ich die Kellertreppe hinunter. Ich ging im Schein einer schwachen Glühbirne unten lang und suchte nach einer Tür. Schließlich fand ich eine. Es muß so ein oder zwei Uhr morgens gewesen sein. Ich klopfte. Die Tür ging einen Spalt weit auf, und da stand eine richtig gutaussehende Frau in einem Negligé. Das hatte ich nicht erwartet. Jung und strohblond. Ich klemmte meinen Fuß in den Türspalt, drückte mich rein, machte die Tür hinter mir zu, sah mich um. Gar keine schlechte Bude.
    »Wer sind Sie?« fragte sie. »Gehn Sie hier raus.«
    »Nettes Zimmer, was du da hast. Gefällt mir besser als mein eigenes.«
    »Gehn Sie hier raus! Gehn Sie raus! Gehn Sie raus!«
    Ich zog die Flasche Whisky aus der Papiertüte. Sie sah sie an.
    »Wie heißt du?« fragte ich.
    »Jeanie.«
    »Paß auf, Jeanie, sag mir doch mal, wo du deine Trinkgläser hast.«
    Sie zeigte auf ein Regal an der Wand, und ich ging hin und nahm zwei große Wassergläser herunter. Es gab ein Spülbecken. Ich ließ ein bißchen Wasser in die Gläser, ging damit zum Tisch, stellte sie hin, machte den Whisky auf und mixte was zusammen. Wir setzten uns auf ihre Bettkante und tranken. Sie war jung, attraktiv. Ich konnte es nicht fassen. Ich wartete auf einen neurotischen Ausbruch, auf irgendwas Psychotisches. Jeanie wirkte völlig normal, sogar ausgesprochen gesund. Aber sie mochte ihren Whisky. Sie hing keinen Schluck hinter mir zurück. Die fickrige Erregung, mit der ich da runtergekommen war, hatte sich inzwischen verflüchtigt. Ich meine, wenn sie da unten ein kleines Ferkel gehabt hätte oder sonst was

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