Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben
Miete ankam, oder es waren welche vom FBI. Ich lebte in Gesellschaft von Ratten und Mäusen und Weinflaschen, und mein Blut pappte an den Wänden einer Welt, die ich nicht begreifen konnte und bis heute nicht begreife. Ich wollte nicht so leben wie die; lieber wollte ich verhungern. Ich kniff aus, verkroch mich in mich selber, versteckte mich. Ich machte die Jalousien dicht und starrte an die Decke. Wenn ich mal ausging, dann in eine Bar, wo ich Drinks schnorrte, kleine Botengänge erledigte und in einer Seitenstraße Prügel bezog von gutgenährten Männern in sicheren Positionen, von trüben Tassen, die ein bequemes Leben führten. Na ja, ein paar Fights gewann ich auch; aber nur, weil ich verrückt war. Ich kriegte jahrelang keine Frau, ich lebte von Erdnußbutter und altbackenem Brot und Pellkartoffeln. Ich war der arme Irre, der blöde Hund, der Idiot. Ich wollte schreiben, aber die Schreibmaschine war ständig im Pfandhaus. Ich gab es auf und trank …
Das Flugzeug hebt ab, und die Kamera läuft weiter. Meine Freundin und ich machen Konversation. Die Drinks werden serviert. Ich habe große Dichtung vorzuweisen und eine fabelhafte Frau. Das Leben läßt sich allmählich recht gut an. Aber sieh dich vor, Chinaski, sieh dich vor. Du hast lange darum gekämpft, das Wort so aufs Papier zu bringen, wie du es wolltest. Laß dich nicht von einer Filmkamera und ein bißchen Bauchpinselei aus der Spur bringen. Denk daran, was Jeffers gesagt hat – auch die stärksten Männer können aufs Kreuz gelegt werden; so wie Gott, als er den Fehler machte, auf die Erde runterzukommen.
Na ja, du bist nicht Gott, Chinaski. Also relax und trink noch ein Glas. Wie wär’s, solltest du vielleicht dem Soundmann was Profundes ins Mikrofon sagen? Ah nee, laß ihn schwitzen. Laß sie alle schwitzen. Es ist denen ihr Film. Sieh dir die Wolken draußen an. Du bist unterwegs mit leitenden Angestellten von IBM, von TEXACO, von …
Du bist unterwegs mit dem Feind.
Auf der Rolltreppe im Flughafen fragt mich einer: »Was sollen die ganzen Kameras? Was ist los?«
»Ich bin ein Dichter«, sagte ich zu ihm.
»Ein Dichter?« fragt er. »Wie heißen Sie denn?«
»Garcia Lorca«, sagte ich …
Tja, North Beach hat sich verändert. Sie sind jetzt jung, und sie tragen Jeans, und sie hängen rum und warten auf etwas. Ich bin alt. Was ist aus denen geworden, die vor 20 Jahren jung waren? Wo ist Joltin’ Joe? All so was. Na jedenfalls, als ich vor 30 Jahren in San Francisco war, machte ich um North Beach immer einen Bogen. Jetzt gehe ich mitten durch. Überall hängen Plakate mit meinem Gesicht drauf. Sieh dich vor, alter Mann, die Blutegel sitzen dir schon auf der Haut.
Meine Freundin und ich gehen mit Marionetti durch die Straßen. Tja, da latschen wir also nun mit Marionetti durch die Gegend. Man fühlt sich so richtig wohl in Gesellschaft von Marionetti. Er hat sehr sanfte Augen, und die jungen Girls halten ihn auf der Straße an und reden mit ihm. Na, sage ich mir, in San Francisco könnte ich’s vielleicht auch aushalten … aber nein, ich weiß Bescheid. Für mich heißt es zurück nach L.A., zurück zu dem Maschinengewehr, das ich am Fenster zur Straße hin aufgebaut habe. Den lieben Gott mögen sie drangekriegt haben, doch Chinaski hält sich den Teufel als Berater.
Marionetti geht mal kurz weg, und da ist ein Beatnik Coffee Shop. Ich war noch nie in einem Beatnik Coffee Shop. Jetzt bin ich in einem. Mein Girl und ich bestellen uns das Teuerste, was es gibt – 60 Cents die Tasse. So ganz im großen Stil. Die Ausgabe lohnt sich nicht. Die Kids sitzen rum und nippen an ihrem Kaffee und warten darauf, daß es passiert. Es wird nicht passieren.
Wir gehen über die Straße in ein italienisches Café. Marionetti ist jetzt wieder da, und bei ihm ist der Typ vom ›San Francisco Chronicles der in seiner Kolumne geschrieben hat, ich sei der beste Short-Story-Schreiber seit Hemingway. Ich sage ihm, daß er sich irrt; ich wisse nicht, wer der beste seit Hemingway sei, aber Henry Chinaski sei es jedenfalls nicht. Ich bin zu schlampig, sage ich. Ich bringe nicht den vollen Einsatz. Ich bin müde.
Der Wein wird serviert. Schlechter Wein. Die Lady schleppt Suppe an, Salat, eine Schüssel voll Ravioli. Noch eine Flasche schlechten Wein. Als das Hauptgericht kommt, kriegen wir schon nichts mehr in uns rein. Die Unterhaltung ist locker. Wir geben uns keine Mühe, brillant zu sein. Vielleicht könnten wir’s auch gar nicht. Wir gehen
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