Ein Pyrenäenbuch
sich mit der Flinte, aber nur des Eindrucks
halber, den er auf Rudolf völlig verfehlte. Der Jagdgenosse lag immer noch im
Straßenstaub, der Riese auf ihm, und der da unten telegrafierte seinen Herrn
an: er wedelte. Er tat einem so leid... «Ich weiß ja, daß ihr da seid», sagte
der Wedel. «Schafft mir doch nur diesen Lümmel vom Hals — er beißt mich ja tot!
Das geht doch nicht —!»
Die ganze Straße war in
Aufruhr, es fehlte nicht viel, so hätte man den Gendarmen alarmiert. Keiner
wagte sich an die Mordgruppe... schließlich stand Rudolf I. auf und schickte
sich an, die Straße hinunterzutraben. «Huh!» schrien die Damen, und die
Ladenfrauen gingen alle in ihre Läden, wie wenn Mikosch des Weges daherkäme.
Der arme Jagdgehilfe stand auf, schüttelte sich, sah seinen Herrn an: «Das war
ja eine schöne Bescherung!» — und dann gingen sie fort.
Rudolf I. spreizte die Straße
hinunter, den Schweif hoch erhoben, außerordentlich stolz und zufrieden — das
wäre ja auch noch schöner! Einzug durchs Brandenburger Tor, Gladiatorenmarsch.
Da aber geschah etwas ganz Seltsames. Ein Schlächterbursche sah ihn kommen, und
als sie auf gleicher Höhe waren, warf er ihm mit erschreckender Schnelligkeit
einen Besen auf den Rücken. Bautsch! Er hatte genau getroffen. Der große Hund
machte einen Satz zur Seite... und nun war es auf einmal gar kein Held mehr,
sondern ein lächerlicher Raufbold, der rechtens die Kehrseite voll bezogen
hatte, weil er schwächere, ehrliche Leute malträtierte. Er lief schaukelnd und
grollend davon, und alle Leute lachten ihn aus.
Nichts ist förderlicher für
Diktatoren als ein Besen ins Kreuz.
Das ist in allen Tälern so.
Drei Tage
Luchon ist ein großer Badeort,
besonders wenn niemand da ist.
Wie schön und erholsam sind
Badestädte, die leer sind —! Die Brust der Badegöttin atmet nur leise, die
Geschäfte sind zwar geöffnet, ja, ja... aber die Kaufleute haben sich satt und
müde geneppt und winken nur noch schlaff mit dem Finger, wenn ein Badegast
vorüberwandelt. Die Luft steht still, die Wege sind rein, und das Schönste, was
es nun gibt, ist eine leere Straße. Auf dem säubern Platz am Badegebäude spielt
die Kurkapelle — sie bläst und fiedelt, ohne rechte Überzeugung von ihrem Tun,
denn nur drei Dackel und etliche Kinder hören ihr zu. Alle Leute machen ein
Gesicht wie eine Frau in einem Zimmer ohne Spiegel und ohne Männer. Es lohnt
nicht.
Das Kasino steht in seiner
gebackenen Pracht da, müde hängen die Stuckomamente herab, und im Park fallen
die gelben Blätter. Der ganze Ort hat sich mit einem schleierdünnen Tuch
zugedeckt... gleich schläft er.
Oben, in Super-Bagnères, wohin
die Zahnradbahn hinaufklettert, haben wir das Hotel — noch nicht, nicht mehr.
Der Sommer ist vorbei, und die Leute vom Wintersport sind noch nicht da. Für
mich ganz allein wird ein Frühstück geschlachtet, und träumerische Einsamkeit
umfängt mich im weißen Lavabo.
Wenn sich der Schwann verlaufen
hat, lasset uns schwärmen.
In Foix gibt es ein trutz’ges
Schloß; es ist nicht einmal so sehr hoch und nicht einmal so sehr groß — aber
die Felsen mitten in der Stadt fallen so schroff ab, daß ein amerikanischer
Zeichner unter sein gutes Bild gesetzt hat: ‹Schloß zu Foix: Typus der
Feudalherrschaft›. Es ist Stein gewordener Wille.
Hier haben sie einmal, im Jahre
1808, eine Verrückte eingesperrt, eine Schwester Kaspar Hausers. Man fand die
unbekannte Frau völlig nackt in den Bergen, rufend, kletternd wie eine Gemse,
Beeren essend... sie jagte davon, als die Hirten hinter ihr her waren. Sie
bekamen sie doch — sie entfloh aus dem Arrest. Sie fingen sie ein zweites Mal,
nachdem sie im Gebirge überwintert hatte; niemand weiß, wo; niemand weiß, wer
ihr Nahrung gegeben hat, und sie steckten sie in das Schloß zu Foix. Der
Präfekt hatte seine liebe Not mit ihr: sie war nervenkrank, das war klar, aber
im Departement war keine Irrenanstalt, und die Nachbardistrikte wollten die
Fremde nicht aufnehmen. Man berichtete nach Paris. Fouchi war damals
Polizeiminister, die Sache lief ihren Aktengang.
Da meldeten sich eines Tages
zwei Gefängniswärter auf der Polizei in Foix und gaben an, die Unbekannte sei
im Gefängnis plötzlich gestorben›. Nun, das kommt vor... wir haben junge
Beispiele.
Die Frau hatte aber in ihren
Anfällen gerufen: «Was wird mein armer Mann sagen!» und ein romantisch
veranlagter Unterpräfekt veröffentlichte etwas später einen langen
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