Ein Regenschirm furr diesen Tag
aus und rennt einem jüngeren Mann nach, der nicht einmal seine Küche von ihr geputzt haben möchte. Und Himmelsbach erst! Kennst du den nicht auch?
Ich nicke.
Himmelsbach ist eine Katastrophe! ruft Susanne aus. Was habe ich den mal bewundert! Fährt nach Paris und will für internationale Zeitschriften fotografieren! Von wegen!
Ich habe ihn neulich mal gesehen, sage ich, ich glaube, es geht ihm dreckig.
Es ist schrecklich, sagt Susanne, auch ich kenne nur noch durchschnittliche Leute.
Ich nehme an, gleich wird Susanne losprusten und mir ins Gesicht sagen: Und du bist ja auch nicht gerade bedeutend! Statt dessen erzählt sie von zwei Germanistinnen, die seit kurzem als Sekretärinnen bei ihr im Büro arbeiten.
Sie reden, als wären sie schon immer Sekretärinnen gewesen, sagt Susanne.
Ich würde Susanne gerne ein Kompliment machen, aber ich fürchte, es würde jetzt wie ein Trost klingen. Susanne seufzt und schaut auf ihre matte Perlenkette herunter.
Ein Glück, daß ich heute nachmittag arbeiten muß, sonst würde ich mich jetzt betrinken.
Wieso? frage ich leise.
Weil ich so deprimiert bin.
Und wie willst du, frage ich, den regelmäßigen Kontakt der Massen mit bedeutenden Menschen organisieren?
Susanne schaut mich an.
Willst du in jedes Mietshaus einen bedeutenden Mann oder eine bedeutende Frau einquartieren mit Sprechstunden täglich von zehn bis eins, außer donnerstags? Oder soll einmal wöchentlich ein bedeutender Mann im Bürgerhaus des Viertels erscheinen und Auskunft darüber geben, was Bedeutsamkeit ist und wie man an ihr teilhat?
Susanne lacht auf. Du nimmst mich nicht ernst! sagt sie.
Natürlich nehme ich dich ernst! sage ich; ich überlege, wie man die Massen mit bedeutenden Menschen zusammenbringen kann, daran mangelt es doch, das hast du selber gesagt.
Aber doch nicht so, wie du dir das vorstellst, sagt Susanne.
Aber wie denn sonst?
Ja, ja, macht Susanne ein wenig verächtlich, ich merke schon, ich habe wieder nur laut geträumt. Aber Gott sei Dank kann ich mit dir wenigstens über meinen Unsinn reden!
Susanne lacht. Wir heben die Gläser und trinken. Ich bin froh, daß die etwas zu ernste Stimmung umgeschlagen ist. Das heißt, meine persönliche Lage ist, was Susanne betrifft, vielleicht ernster als zuvor. Ihre Bemerkung, daß sie mit mir wenigstens über ihren träumenden Unsinn oder über ihre unsinnigen Träume reden kann, kommt mir jetzt wie ein Hinweis darauf vor, daß sie mich doch nicht durchschnittlich findet. Wir zahlen und gehen. Ich begleite sie zurück ins Büro.
Hast du gehört? fragt Susanne draußen, du bist der einzige Mensch, mit dem ich über meinen komischen Jammer reden kann!
Susanne bleibt stehen und schaut mich eine Spur zu dramatisch an. Ich nicke. Derartige Szenen werde ich wohl öfter erleben, wenn ich mich mit Susanne einlasse. Schon überlege ich, daß ich nach wie vor kein besonderes Verlangen nach einer Frau habe. Das heißt, so einfach kann ich meine Situation nicht beschreiben. Selbstverständlich will ich eine Frau, aber mit jetzt sechsundvierzig Jahren fühle ich mich zu alt oder vielmehr zu verschlissen für die Rolle eines Mannes, der noch einmal den Liebhaber geben will. Ich kann nicht mehr sprechen wie ein solcher Mann, ich kann mich nicht mehr verhalten wie ein solcher Mann. Ich bin Susanne nur zufällig wieder nahegekommen. Aber auch meine zufällige Nähe läßt mich spüren, auf wen Susanne eigentlich wartet: auf einen tüchtigen, erfolgreichen, interessanten Mann. Der nur zufällig anwesende Mann (ich) verbringt seine Zeit mit ihr und bemerkt dabei, daß der von Susanne erwünschte/ersehnte/erträumte Mann nicht in ihr Leben tritt. Nur deswegen verbündet sich die übriggebliebene Susanne dann doch mit dem bloß zufällig anwesenden Mann, also mit mir. Erschwerend kommt hinzu, daß Susanne für mich eigentlich zu schön ist. Wirklich schöne Frauen bringen mich immer nur auf einen Gedanken: Für die bist du nicht gut genug. Nur bei weniger hübschen und weniger intelligenten Frauen denke ich, die sind wie du, die werden sich nicht wundern, wenn ich mich um sie kümmere. Trotzdem gehe ich jetzt wie ein Mann, der darauf achtet, daß Susanne entgegenkommenden Passanten nicht gar zu oft ausweichen muß. Susanne redet darüber, daß sie am Nachmittag die Akten für einen Prozeß zusammenstellen muß, der morgen früh am Landgericht von ihrer Sozietät wahrgenommen wird. Sie spricht mit einer gewissen Abschätzigkeit in der Stimme. Wir gehen
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