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Ein Regenschirm furr diesen Tag

Ein Regenschirm furr diesen Tag

Titel: Ein Regenschirm furr diesen Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Genazino
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wie eine alte Frau!
    Susanne drückt an ihren Beinen herum wie an kranken Körperteilen.
    Ich lege Hemd und Hose ab und sage: Es gibt nur zwei wirkliche Veränderungen beim Älterwerden; bei Männern werden die Ohren länger, bei Frauen die Nasen.
    Susanne lacht und vergißt ihre Doppelknie, jedenfalls für den Augenblick. Sie zieht mich auf das Bett herunter und küßt mich heftig und wie unter Zeitdruck. Ich bin überrascht und rede mir gleichzeitig ein, daß meine Überraschtheit nicht angemessen ist. Es läuft jetzt nur ab, was du selbst eingefädelt hast: Du hast dich für eine Frau bedeutsam gemacht. Susanne dreht mich küssend auf den Rücken. Sie kann nicht abwarten, bis meine Erektion für einen Beischlaf ausreicht. Sie setzt sich auf mein halb eregiertes Geschlecht und legt ihren Oberkörper dann auf den meinen. Vielleicht schämt sie sich ihrer nicht mehr festen Brüste. Wir haben einen falschen Anfang erwischt, wir müßten noch einmal von vorn anfangen dürfen. Ich dringe in sie ein, aber weil ich noch nicht fest genug bin, rutsche ich gleich wieder heraus. Dabei sehe ich, daß ich vergessen habe, die Socken abzulegen. Ich habe sofort die Vorstellung, das wird Susanne nicht dulden können. Es ist mir im Augenblick nicht möglich, die Strümpfe unbemerkt abzustreifen und verschwinden zu lassen. Mich selber beeinträchtigt das Mißgeschick nicht, im Gegenteil. Mißgeschicke bringen Unschuld hervor; sie erinnern mich unmerklich daran, daß ich mich im Leben nicht genügend auskenne und nie ausgekannt habe. Prompt rutsche ich in mein Grundgefühl hinein, daß ich mich immer nur halbwegs zurechtfinde und deswegen wie aus Versehen lebe. Dabei ist Susannes Leib weich und flößt mir kindliches Vertrauen ein. Aus dem Gefühl des versehentlichen Lebens wird, weil es nicht abgebremst wird, die Vorstellung eines kleinen schmachvollen Scheiterns. Auch mit diesem Gefühl bin ich vertraut. Ich bin es gewohnt, im Scheitern weiterzumachen. Eine Weile weiß ich nicht, was geschieht und wie ich davonkommen werde, aber ich mache weiter. Und zwar so lange, bis ich plötzlich den Eindruck habe, ich befinde mich inmitten eines neuen, zweiten Anfangs. Susanne und ich reden jetzt nicht mehr. Ich hebe Susanne von mir herunter und lege sie neben mich. Dabei gelingt es mir, meine Füße unter einen Zipfel der Bettdecke zu schieben. Von Susannes Geschlecht geht jetzt ein leicht säuerlicher Geruch aus, der Susanne wahrscheinlich nicht recht ist, mich aber anregt. Im Bett riecht es plötzlich wie nach der fast immer offenstehenden Brotschublade in der Küche meiner Mutter. Susanne schaut mich an, am liebsten würde ich ihre Bänglichkeit zerstreuen und ihr sagen: Beruhige dich, du duftest wie nach einer guten alten Bäckerei. Vermutlich wäre Susanne auch mit diesem Bild nicht einverstanden. Es ist verboten, unseren nach Erhabenheit verlangenden Liebeseifer mit einer Alltagsidee zu beeinträchtigen. Ich drehe mich um und öffne Susannes Beine. Mit dem Hinterteil lasse ich mich aus dem Bett rutschen. Susanne merkt, was ich vorhabe, und schiebt mir ihren Unterleib entgegen. Sie spreizt die Beine, so weit sie kann. Ich beuge mich über sie und küsse ihr säuerliches Geschlecht. Erst dadurch kann ich ausdrücken, daß ich gegen den Brotgeruch der Liebe nichts einzuwenden habe, im Gegenteil. Susanne wimmert leise und hält mit beiden Händen meinen Kopf. Mit nach vorne zugespitztem Mund sauge ich die Schamlippen in meinen Mundinnenraum und lasse sie beim Hinausgleiten über die untere Zahnreihe rutschen. Genau in diesen Augenblicken fällt mir Himmelsbach ein. Ich sehe ihn und Margot durch die Stadt ziehen. Es ist, als würde mein Liebesanfang mit Susanne ein weiteres Mal gestört. Ich verhöhne Himmelsbach und seine schülerhaften Annäherungsversuche. Ich lasse Susannes Schamlippen aus meinem Mund gleiten und denke: Siehst du, Himmelsbach, so macht man das. Ich küsse Susannes Geschlecht länger als vorgesehen. Die Überzeit gilt der Wiederaustreibung Himmelsbachs aus meinem Bewußtsein. Weil ich nicht weiß, ob sie mir gelingt, bricht mir am Hals und am Kopf Schweiß aus. Wenn es so weitergeht, werden Susanne und ich einen dritten Liebesanfang benötigen. Ich weiß nicht, was ich tun soll, um nicht mehr an Himmelsbach zu denken. Es bleibt mir nur das langsam schwächer und leerer werdende Vertieftsein in Susannes Geschlecht. Ich habe dabei die Vorstellung, daß ich laufend kleine Verbeugungen vor dem Leben mache. Und gleichzeitig

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