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Ein reiner Schrei (German Edition)

Ein reiner Schrei (German Edition)

Titel: Ein reiner Schrei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Dowd
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zündete den Motor. Er stotterte und keuchte, dann verstummte er.
    »Tu mir das nicht an, Isebel.«
    Shell drehte den Kopf und starrte Pater Rose an. »Isebel?«
    »Ich weiß, der Name ist ein Witz. Aber es ist wirklich eine Isebel, denn sie hat einen Teufel in sich.«
    Er versuchte es wieder. Der Wagen begann zu husten, sprang fast an, verstummte erneut.
    »Sie hasst Feuchtigkeit.«
    Beim dritten Anlauf sprang der Wagen schließlich an. Shell starrte die Sachen auf ihrem Schoß an, unschlüssig, was sie damit tun sollte. Pater Rose fuhr aus der Parklücke und hätte dabei fast einen anderen Wagen gerammt. An den Seitenspiegeln rann das Wasser herab. Die Sicht war so schlecht, dass man fast nichts erkennen konnte. Doch Pater Rose schien das nicht weiter zu beunruhigen. Er vertraute auf Gott.
    »Nehmen wir die gerade Straße, oder willst du lieber an der Küste entlang?«, fragte er.
    Seit Mums Tod gab es in Shells Familie kein Auto mehr. Nur Mum hatte einen Führerschein gehabt. Angeblich hatte auch Dad vor Jahren einmal einen besessen, aber er war ihm abgenommen worden, den Grund dafür kannte Shell nicht. Inzwischen blieb ihr nie genügend Zeit, die drei Meilen bis zum Strand der Ziegeninsel zu Fuß zu gehen. Mum war an den meisten Sommertagen mit ihnen hingefahren, und sogar im Winter, sonntags nach der Kirche. Sie hatte es geliebt, den Wellen dabei zuzuschauen, wie sie höher und höher anschwollen, hoch wie Kirchtürme.
    »Lassen Sie uns an der Küste entlangfahren. Bitte.«
    »Also zur Küste«, sagte Pater Rose. »Falls wir bei dem Regen überhaupt was davon sehen.«
    Sie fuhren durch die Stadt. Mrs Fallon, die Frau des Doktors, wackelte mit einer Plastiktüte über dem Kopf die Straße entlang und gesellte sich zu Mrs McGrath, die sich am Eingang zur Bank untergestellt hatte. Shell winkte ihnen zu. Die beiden starrten ihnen mit offenen Mündern hinterher, wie sie in ihrer violetten Limousine die Hauptstraße hinunterkutschierten. An der Höhle bog Pater Rose links ab und nahm die Landstraße. Als sie den Gipfel des Hügels erreichten, goss es in Strömen. Ein Schaf mit verschmierter blutroter Farbe an der einen Seite rannte vor ihnen auf die Straße, als wollte es sich umbringen. Pater Rose riss den Lenker herum. Das Schaf sprang zurück auf die Wiese. »Wir sind in Gottes Hand«, sagte Pater Rose und setzte sich gerade auf. Das Auto ruckte und fuhr in ein Schlagloch. Shells Kopf wäre beinahe gegen die Decke geschlagen. Fast hätte sie die Dinge verloren, die auf ihrem Schoß lagen. Sie hielt den Führerschein gerade noch rechtzeitig fest, ehe er ihr von den Knien rutschte.
    Shell konnte sich nicht beherrschen einen Blick darauf zu werfen. Gabriel Rose stand auf dem Dokument.
    »Gabriel?«, wunderte sie sich laut.
    Pater Rose schaute zu ihr herüber und sah den Führerschein. Er kicherte. »Leider Gottes«, sagte er. »Unsere Mutter nannte uns Michael und Gabriel und betete, dass wir beiden Priester werden würden.«
    Shell stellte sich Pater Rose als Erzengel Gabriel vor, wie er in seinem gleißenden Gewand der Jungfrau Maria erschien, um ihr zu sagen, dass sie ein Kind erwartete. »Einem Gabriel bin ich bislang noch nie begegnet«, grübelte sie. »Aber vielen Michaels.«
    »Der Name ist nicht so stark verbreitet.«
    »Und was ist mit Ihrem Bruder? Hat er es getan?«
    »Was getan?«
    »Wurde er Priester, so wie Sie?«
    Pater Roses Lippen wurden schmal und er starrte mit leerem Blick wie ein Blinder durch die Windschutzscheibe in die Waschküche hinaus. Seufzend schaltete er einen Gang herunter, als ein völlig durchnässter Hund bellend vom Vorhof eines Bungalows herangeschossen kam.
    »Nein, Shell, wurde er nicht«, antwortete er. »Er starb als Junge an Meningitis.«
    »Meng-eng-gi-tus?« Sie hatte das Wort früher schon mal gehört, wusste es aber nicht einzuordnen. »Was ist denn das?«
    »So etwas wie eine schwere Grippe. Sie befällt das Gehirn.«
    Der Regen schwappte in solchen Mengen gegen die Scheibe, dass die Scheibenwischer nicht mehr nachkamen. »Wir brachten ihn nicht rechtzeitig zum Arzt.«
    Sie fuhren durch einen Wirbel aus Wolken die Hochebene entlang.
    »Ich halte hier lieber an, Shell. Bis das Schlimmste vorüber ist.«
    Er hielt in einer Parkbucht. Die Heftigkeit des Regens nahm immer noch zu. Shell konnte riechen, wie die Feuchtigkeit von außen langsam ins Innere des Wagens drang. Sie warf einen zweiten Blick auf den Führerschein und sah das Geburtsdatum. In Gedanken berechnete sie

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