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Ein reiner Schrei (German Edition)

Ein reiner Schrei (German Edition)

Titel: Ein reiner Schrei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Dowd
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hatte sie zur Garda-Polizeistation nach Castlerock gefahren, aber sie hatte nicht gewollt, dass er sie in den Besucherraum begleitete. Sie und Dad waren in dem Raum mit dem Milchglas allein. Draußen vor der Tür stand ein Polizist. Sie konnte sich kaum überwinden Dad anzusehen. Vor ihr saß ein eingefallener Mann, verhärmt und schmächtig. Mit ausgemergeltem blassgrauem Gesicht. Seine Hand kam über den Tisch auf sie zu, flatternd wie ein Schmetterling.
    »Shell. Mein Mädchen.« Seine Lippen zitterten. Sie hätte schwören können, dass in seinen Augen eine Träne aufblitzte, ehe er den Kopf senkte. Sein Finger malte eine Acht auf die Tischplatte, hin und her.
    »Geht es dir gut, Dad?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Mrs Duggan hat erzählt, dass du angerufen hast. Zu Weihnachten.«
    »Hab ich das?«
    Sie nickte. »Du hast hier ein Festessen bekommen, Dad, oder nicht? Truthahn? Mit Soße?«
    Er runzelte die Stirn, dann lächelte er und zeichnete einen weiteren Kringel. »Ich habe es hier sehr schön gehabt, Shell. Es war ein Fest.«
    »Aber Dad, du müsstest überhaupt nicht hier sein.«
    Er schüttelte den Kopf, als hätte sie rein gar nichts begriffen.
    »Weshalb hast du gestanden?«, stieß sie hervor. »Warum nur?«
    Die Figur, die er zeichnete, wurde scharf und zickzackförmig.
    »Dad. Warum? Antworte mir.«
    »Das Baby ist tot, Shell. Gott sei Dank. Warum noch darüber reden. Aber ich musste es ihnen erklären. Irgendwie musste ich es ja erklären.«
    »Aber Dad, dieses Baby in der Höhle. Es war gar nicht meins, versteh doch.«
    Er schien nicht zuzuhören. Seine Finger fuhren die Astlöcher im Holz entlang, auf und ab.
    »Meins liegt oben auf dem Acker.« Sie brüllte es fast.
    Er hob grimmig lächelnd den Kopf. »Ich habe dir das angetan, Shell. Gott vergebe mir dafür. Ich hab all das angerichtet. Ich wusste die ganze Zeit, was mit dir los war.«
    »Du hast es doch nicht gewusst, Dad? Wirklich?« Sie erinnerte sich an damals, als er sie mitten im Rosenkranzgebet angestarrt hatte.
    »Ich habe versucht es zu übersehen, aber ich wusste es. Ich habe all das angerichtet.«
    »Das hast du nicht, Dad. Gar nichts hast du angerichtet.«
    Seine Ohren waren wie verschlossen. »Ich habe eine Todsünde begangen. Die furchtbarste.« Er schlug sich mit der Faust dreimal gegen die Brust, als stünde er auf der Kanzel und spräche vor der ganzen Gemeinde das Schuldbekenntnis: Durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine übergroße Schuld. »Es war die Hölle, die Hölle in einem Glas. Man muss nicht sterben, um in die Hölle zu kommen, Shell. Jeder Teufel kann dich jederzeit dorthin bringen. Und der Teufel, der mir erschien, war ihr Abbild. Das von Moira. Meiner Moira. Die immer was Besseres war als ich, im Leben wie im Tod. Immer unerreichbar. Und als ich aufwachte, wusste ich nicht, wo ich war. Das Haus war leer. Es wurde Morgen. Du, Trix und Jimmy, ihr wart fort. Und Moira auch. Alle fort.«
    Dads Zähne schlugen klackernd aufeinander. Er redete wirres Zeug.
    »Ist dir kalt, Dad?«
    »Kalt? Nein, höllenheiß ist mir, Shell. Höllenheiß.« Das Zähneklappern wurde schlimmer.
    »Soll ich Hilfe holen? Dir ist nicht gut …«
    »Sei still! Mach sie nicht auf uns aufmerksam. Tu’s nicht, Shell.«
    »Dad.« Sie beugte sich vor und legte ihre Hand auf seine, damit das zittrige Ziehen unsichtbarer Linien aufhörte. »Du musst es widerrufen. Das Geständnis. Das hat Pater Rose gesagt. Es ist nicht wahr. Das musst du ihnen sagen.«
    Er schüttelte ihre Hand ab. Sein Zeigefinger beklopfte das Holz, dann bewegte er sich in einer schwankenden Linie von dem einen Ende des Tisches zum anderen. »Ich habe innerlich die Beichte abgelegt, vor dem Allmächtigen. Aber das wird mich nicht retten, Shell. Jetzt nicht mehr. Es ist zu spät.« Er bekreuzigte sich, aber mitten in der Bewegung hielt seine flatternde Hand inne und sank wieder hinunter auf die Tischplatte. »Als ich jung war«, sinnierte er, »hatte ich ein unbändiges Verlangen nach käuflichen Sünden.« Er kicherte und begann von neuem Linien zu ziehen, senkte das Gesicht tief hinab, nur wenige Zentimeter über eins der Astlöcher am Rande der Tischplatte. »Die Volksfeste. Die Kumpel. Das Bier.« Er kicherte und schnaufte vor sich hin, als wäre er allein.
    Der Wachmann öffnete die Tür. »Die Zeit ist um«, verkündete er.
    Shell seufzte erleichtert auf. »Dad, ich muss gehen.«
    Er blickte auf. »Wann bist du denn hergekommen?«
    »Ich bin schon seit

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