Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
 Ein reines Gewissen

Ein reines Gewissen

Titel: Ein reines Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
Vom Netzwerk:
gereizt haben mochte. Ja, es gab viele Bars, aber die gab es in der Lothian Road auch. Vince hatte gutes Geld dafür ausgegeben, dass ein Taxi ihn von Leith hierherbrachte. Unterwegs musste er an Dutzenden von Lokalen vorbeigekommen sein, die zu dieser Zeit noch geöffnet hatten. Er musste ein bestimmtes Ziel im Kopf gehabt haben. Vielleicht konnte Fox mit dem Taxifahrer sprechen; vielleicht würde Annabel die Kontaktdaten des Mannes für ihn herausfinden.
    »Vielleicht«, murmelte er vor sich hin.
    Die Temperatur sank noch weiter. Um seine Ohren warm zu halten, hatte er den Mantelkragen hochgeschlagen. Am Grassmarket gab es eine Pommesbude, aber das kam ihm plötzlich sehr weit vor. Und wäre sie jetzt überhaupt noch geöffnet? Es war Sperrstunde, was bedeutete, dass der Verkehr ruhte. Sein Auto parkte nicht weit vom Anfang der Blair Street entfernt. Noch fünf Minuten und er würde es etwas behaglicher haben; hier gab es für ihn nichts mehr zu tun.
    Doch dann sah er noch ein Neonlicht. Es befand sich in einer engen Gasse, genau genommen einer Sackgasse. Vorher war es ihm nicht aufgefallen, aber jetzt, wo er hinschaute, sah er ein Schild an der Backsteinmauer, das auf den erleuchteten Eingang zeigte. Über dem Pfeil auf dem Schild nur ein Wort: SAUNA. Er fragte sich, ob einer der Polizisten wohl auch Flugblätter in diesem speziellen Etablissement verteilt haben mochte. Fox ging noch ein paar Schritte weiter in die Gasse hinein, sodass er die Tür besser sehen konnte. Sie war aus Massivholz, glänzend schwarz gestrichen, mit einem angelaufenen Messinggriff und etlichen Graffiti. Seitlich befand sich eine Videosprechanlage. Die Sexindustrie von Edinburgh blieb gerne für sich, was der Polizei nur recht war.
    Fox schickte sich an, kehrtzumachen und zu seinem Auto zurückzugehen, als ihm etwas mit voller Wucht zwischen die Schultern fuhr und ihn von den Füßen riss. Er schlug mit dem Gesicht auf dem Boden auf. Gerade noch rechtzeitig hatte er den Kopf etwas zur Seite drehen können, sodass seine Nase nicht frontal aufprallte. Das Gewicht drückte ihn nach unten - jemand kniete auf seinem Rücken und schlug ihm die Luft aus der Lunge. Benommen versuchte Fox, sich zu befreien, aber auf seinem Kinn war ein Fuß gelandet. Ein schwarzer Schuh, nichts Ausgefallenes oder Bemerkenswertes. Sein Kopf flog ruckartig nach hinten, und er spürte, wie er spiralförmig ins Dunkel abdriftete ...
     
    Als seine Augen sich unter Blinzeln öffneten, war der Schuh wieder da. Er trat ihm in die Seite. Fox streckte eine Hand aus, um ihn zu packen. »Aufwachen«, sagte eine Stimme. »Hier können Sie nicht schlafen.«
    Fox rappelte sich erst auf die Knie und dann ganz hoch. Die Wirbelsäule tat ihm weh. Hals und Kiefer ebenso. Der Mann, der vor ihm stand, war alt, und einen Moment lang glaubte Fox ihn zu kennen.
    »Zu viel getrunken«, sagte der Mann. Er war einen Schritt zurückgewichen. Fox untersuchte sich auf Verletzungen: Blut war nicht zu sehen und Zähne schien er auch keine verloren zu haben.
    »Was ist passiert?«, fragte er.
    »Sie sollten nach Hause in Ihr Bett gehen.«
    »Ich bin nicht betrunken; ich trinke keinen Alkohol.«
    »Sind Sie krank?«
    Fox versuchte, den Schmerz wegzublinzeln. Die Welt schien irgendwie aus dem Lot zu sein, und dann merkte er, dass ihm das Blut in die Ohren schoss. Seine Sicht war verschwommen.
    »Haben Sie ihn gesehen?«, fragte er.
    »Wen?«
    »Jemand hat mich zu Boden gestoßen und mir einen Tritt versetzt ...«Von neuem rieb er sich den Kiefer. »Hat er irgendwas mitgenommen?«
    Fox sah in seinen Taschen nach. Als er den Kopf schüttelte, hatte er das Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen. »Das ist ein übles Viertel hier.«
    Fox versuchte sich auf den Mann zu konzentrieren. Er musste Mitte siebzig sein - kurz geschnittenes silbergraues Haar, mit Leberflecken übersäte Haut ... »Sie sind Jack Broughton.«
    Der Mann kniff die Augen zusammen. »Kenne ich Sie?«
    »Nein.«
    Broughton steckte die Hände in die Taschen und ging auf Fox zu, bis nur noch Zentimeter ihre Gesichter trennten. »Dann belassen wir es am besten dabei«, sagte er und machte auf dem Absatz kehrt. »Vielleicht sollten Sie einen Arzt aufsuchen«, lautete sein kleiner Rat zum Abschied.
    Fox blieb noch einen Moment stehen, dann schlurfte er zurück zur Hauptstraße. Dort hielt er seine Armbanduhr ins Licht einer Straßenlaterne. Null Uhr vierzig. Seine Bewusstlosigkeit konnte nur eine Sache von Minuten gewesen sein. Auf dem

Weitere Kostenlose Bücher