Ein reines Gewissen
»Nennen Sie mich etwa einen Lügner, Inspector Stoddart?«, fragte er vorwurfsvoll.
»Nein«, antwortete sie, während sie ihre Papiere durchging. Fox fuhr mit den Fingern an dem laminierten Besucherausweis entlang, der um seinen Hals hing.
»Irgendwas Neues im Fall Faulkner?«, fragte er unschuldig. »Keine Ahnung.« Sie blickte von ihren Unterlagen hoch. »Warum haben Sie DS Dickson denn nun angegriffen?« »Ich war in einer labilen Verfassung.« »Würden Sie das bitte wiederholen?«
»Meine Schwester hatte ihren Partner verloren«, erklärte er bereitwillig. »Das hat mich stärker mitgenommen, als ich gedacht hätte. Erst danach ist mir klar geworden, dass die Polizei einen Fehler gemacht hat.«
»Die Polizei?«
»Indem sie es versäumte, meine Termine abzusagen und mir ein paar Tage bezahlten Sonderurlaub wegen eines Trauerfalls zu gewähren.«
Stoddart lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Sie weisen die Verantwortung also von sich?«
Fox zuckte die Achseln. »Ich mein ja nur. Aber wie kommt es, dass Sie mich beobachtet haben, Inspector? Wer hat die Überwachung angeordnet, und mit welcher Begründung?«
Stoddart musterte ihn mit einem kalten Lächeln. »Das ist vertraulich.«
»Das höre ich gern; für meine Begriffe gibt es hier nämlich etwas zu viele undichte Stellen ...«Ihre Haltung nachahmend, lehnte er sich zurück.
»Können wir anfangen?«, fragte sie.
»Jederzeit«, antwortete Fox.
Anderthalb Stunden später gab er Frank am Empfangstresen seinen Besucherausweis zurück, froh, keine Bekannten getroffen zu haben, denn dann hätte er wieder Lügen über seine Beulen und blauen Flecke erzählen müssen. Andererseits würden Tony Kaye, Annie Inglis und die anderen es vermutlich auch so herausfinden. So war Fettes nun einmal. Auf dem Weg zu seinem Auto nahm Fox auf seinem alten Handy einen Anruf an. Es war Jude, die nur ein wenig plaudern wollte.
»Wie geht's dir, Schwesterherz?«, fragte er sie.
»Ganz gut.«
»Hast du deine Freundinnen immer noch um dich?«
»Sie waren alle großartig.«
»Das höre ich gern.«
»Wie geht's Dad, hast du ihn gesehen?«
»Er ist vermutlich auch nicht gut auf mich zu sprechen ...«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich schlecht auf dich zu sprechen bin«, schalt sie ihn.
»Wenn ich's schaffe, besuche ich ihn am Wochenende. Vielleicht könnten wir mit ihm irgendwohin fahren.« Fox saß jetzt hinterm Steuer. »Weißt du inzwischen etwas über die Freigabe der Leiche?«
»Mir hat niemand was gesagt. Könntest du vielleicht ein Wort für mich einlegen?« »Warum nicht - wo mich doch alle in dem Team so lieben.« »Bist du sarkastisch, Malcolm?«
»Vielleicht ein bisschen.« Er ließ den Motor an. »Geht's dir wirklich einigermaßen?«
»Ich glaube, ich klinge sogar besser als du.«
»Da könntest du recht haben. Ich rufe dich morgen an, wenn ich kann.«
Nachdem er das Gespräch beendet hatte, legte er den ersten Gang ein. Er hatte den Fuß noch nicht von der Kupplung genommen, als sein neues Handy klingelte. Mit einem tiefen Seufzer drückte er auf die Empfangstaste.
»Wo bist du?« Die Stimme klang atemlos.
»Tony, bist du das?«
»Wo zum Teufel bist du?«, schimpfte Tony Kaye. »Lothian Road.« Das Auto schob sich gerade aus der Parklücke hinaus.
»In dem Spiel bist du eine Niete, Foxy. Immerhin belüge ich meine Frau seit dem Morgen nach unserer Hochzeitsnacht...«
»Ich verstehe nicht ganz, worauf du hinauswillst.« Fox fiel fast das Handy aus der Hand, als ein Körper sich gegen die Motorhaube des Volvos warf. Er stieg kräftig auf die Bremse. »Du Idiot!«
Tony Kaye hatte sich aufgerichtet und versuchte, die Hände auf die Brust gedrückt, seine Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen. Mit der rechten Hand hielt er das Handy umklammert, die Zunge hing ihm aus dem Mund. Fox ließ den Motor laufen und stieg aus.
»Kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so weit gerannt bin«, stieß sein Freund hervor. »Vermutlich beim Eierlaufen ... in der Grundschule.« Kaye versuchte zu spucken, aber der lange Speichelfaden blieb einfach hängen, bis er ihn mit einem Taschentuch wegwischte. Er atmete noch ein paarmal tief durch. »Allerdings hab ich damals geschummelt und das Ei mit Kaugummi am Löffel festgeklebt...«
»Du kannst es doch noch nicht gehört haben«, meinte Fox.
»Buschtrommel«, brachte Kaye unter Keuchen heraus. »Also: Wer war es, und warum hast du es mir nicht erzählt?«
»Verrat mir erst, wie du es erfahren
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