Ein reines Gewissen
allem ist.« »Bist du dir dessen sicher?«
Fox dachte kurz nach. »Nein«, gestand er. »Eigentlich überhaupt nicht.«
An diesem Abend fand Fox sich erneut in der Cowgate wieder. Er blieb im Auto sitzen und beobachtete auf der Suche nach vertrauten Gesichtern die Passanten. Er entdeckte genau zwei: Annabel Cartwright und Billy Giles. Obwohl der Schmerz ihm wieder heftig in den Rücken fuhr, ließ Fox sich tief in seinen Sitz gleiten. Cartwright kam als Erste, im Gespräch mit einem Kollegen aus dem Ermittlerteam. Der Mann schien ihre Anweisungen zu befolgen. Er hatte einen Packen Flugblätter bei sich. Fox sah sie die Straße hinuntergehen, bis er sie aus den Augen verlor. Zehn Minuten später tauchte Billy Giles auf, der daherschlenderte, als gehörte ihm die Welt. Die Hände tief in den Taschen, kaute er auf einer kurzen, dicken Zigarre herum. Die Nacht war bedeckt und mild und fast windstill. Als Giles in derselben Richtung verschwand wie Cartwright und ihr Kollege, schob Fox sich wieder aus seinem Versteck hinaus. Eine Dreiviertelstunde später fuhr ein Auto vorbei, dessen Fahrer die drei Kripobeamten abgeholt hatte. Giles redete lebhaft und gestikulierend auf die beiden anderen ein, die müde zuhörten. Fox wartete eine weitere halbe Stunde, bevor er ausstieg und seinen Wagen abschloss. Pete Scott hatte keinen Dienst vor dem Rondo. An diesem Abend waren es zwei Türsteher, ein Schwarzer und ein Weißer. Sie schenkten Fox nicht die geringste Beachtung. Einer von ihnen zeigte dem anderen etwas Lustiges auf seinem Handydisplay.
»Das ist ja fürchterlich!«, hörte Fox den anderen sagen, aber in einem Ton, der das Gegenteil vermuten ließ. Er ging weiter. Es war noch nicht einmal zehn Uhr, und er wusste nicht so recht, wozu er eigentlich hier war. Wenn er es hätte richtig machen und die Szene nachstellen wollen, wäre er nach Mitternacht gekommen. Die Gasse war menschenleer. Das Neonschild zeigte immer noch auf die SAUNA. Fox schaute sich gründlich um und fand, dass er keinen Überfall zu befürchten hatte. Dennoch drehte er den Kopf immer wieder zur Seite und nach hinten, während er die Gasse hinunterging, bis er vor der Tür der Sauna stand. Er drückte auf den Summer und starrte in die Kameralinse. Als sich nichts tat, drückte er noch einmal. Von drinnen war nichts zu hören. Es gab keine Glasscheibe, nur das glitzernde Auge der Kamera. Fox wedelte mit den Fingern davor herum, beugte sich ganz nah zu ihm hin, tippte es sogar versuchsweise an. Dann probierte er es mit dem Türgriff, aber der rührte sich nicht. Er ballte eine Faust und pochte dreimal an die Tür, dann weitere dreimal. Immer noch nichts.
Schließlich wandte Fox sich zum Gehen und blieb erst an der Stelle wieder stehen, wo er vierundzwanzig Stunden zuvor bewusstlos gelegen hatte. Er ging in die Hocke und hob einen runden Gegenstand auf. Es war der Knopf, der von seinem Hosenbund abgesprungen war. Fox steckte ihn in die Tasche, richtete sich wieder auf und machte sich auf den Heimweg.
Allerdings hatte er vorher noch einen gar nicht mal so kurzen Abstecher eingeplant. Bei Tag war die A198 stadtauswärts eine mäandernde Küstenstraße mit imposanten Ausblicken. Fox musste daran denken, dass er mit seiner Exfrau am Wochenende gerne diese Strecke gefahren war. Dann hatten sie in Aberlady zum Mittagessen gehalten oder in Gullane zu einem Spaziergang am Golfplatz. Es gab Parkplätze, die sich bis zur Küste hinab erstreckten, und die Abenteuerlustigen konnten den Berwick Law erklimmen. Weiter als bis Tantallon Castle, gleich auf der anderen Seite von North Berwick, waren sie nie vorgedrungen, bevor sie querfeldein zurückfuhren. Manchmal hatten sie im Luftfahrtmuseum ein Schinkenbrötchen oder in Haddington Fish 'n' Chips gegessen. Elaines Lieblingsort war jedoch North Berwick gewesen. Dort hatte sie gerne durch eins der Fernrohre im Sea Life Centre gespäht, oder sie waren am Strand entlanggegangen, und sie hatte ihn aufgefordert, sie einzuholen (er war immer der Bummler, sie die zügig Ausschreitende gewesen). North Berwick war auch heute Nacht Fox' Ziel. Obwohl er die Strecke kannte, fuhr er langsam, denn die Straße war kurvenreich und unübersichtlich. Immer wieder rasten Autos mit frisiertem Auspuff an ihm vorbei, deren Fahrer in schlecht einsehbaren Kurven überholten und dann die Lichthupe betätigten. Hinterm Steuer saßen junge Leute, und die übrigen Sitze waren mit lärmenden Freunden vollgepackt. Vielleicht kamen sie aus der
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