Ein reines Gewissen
Vorstellung von der Ansteckung zu haben. Sonya Michie war ganz sicher eine davon. Doch jetzt fragte sich Fox, ob das auch für Jack Broughton und Bull Wauchope galt. Er hatte sein Fenster heruntergelassen; jetzt konnte er das Meer riechen und hören. Keine Menschenseele weit und breit. Er überlegte: Machte es ihm etwas aus, dass die Welt nicht vollkommen gerecht war? Und die Justiz meistens unzulänglich? Es würde immer Menschen geben, die bereit waren, jemandem für ein Bündel Scheine eine Gefälligkeit zu erweisen. Es würden sich immer Leute finden, die die Lücken des Systems ausnutzten, um noch den letzten Penny herauszupressen. Und manche - eine Menge - Leute würden auch weiterhin ungestraft davonkommen.
»Aber zu denen gehörst du nicht«, sagte er sich.
Und dann sah er etwas - Bewegung am Eingang von Heatons Bungalow. Die Tür ging auf, gegen die erleuchtete Diele zeichneten sich die Umrisse eines Mannes ab. Der Mann stand im Schlafanzug da und - ja, er band sich den Gürtel seines weißen Morgenmantels. Glen Heaton spähte in die Dunkelheit, den Blick vage auf Fox' Volvo gerichtet. Fox fluchte leise und drehte den Zündschlüssel um. Da die Parklücke nicht groß war, musste er, um die Autos vor und hinter sich beim Ausparken nicht zu berühren, mehrmals rangieren. Was eigentlich nichts ausmachte, denn Heaton schien es zufrieden, mit den Händen in den Taschen einfach dazustehen. Fox blickte starr geradeaus, als er in dem Versuch, den Mann im Morgenmantel zu blenden, mit eingeschaltetem Fernlicht losfuhr. Rechts und noch mal rechts, dann war er auf dem Weg zurück nach Edinburgh, das Bild noch im Kopf, als er dort ankam.
Glen Heaton, der einfach dastand, ihm gleichsam ausgeliefert.
Und er, Malcolm Fox, hatte die Nerven verloren.
Donnerstag, 19. Februar 2009
22
Am Donnerstagmorgen wurde Fox durch eine SMS von Caroline Stoddart wach. Geht's besser?
Das tat es. Die Schwellung ging allmählich zurück, und wenn er seine Handflächen aneinanderrieb, brannten sie nur noch leicht. Sein Kinn war in Ordnung, solange er es nicht berührte. Rasieren sollte er diese Stelle aber vielleicht erst in ein oder zwei Tagen wieder. Sein Rücken tat ihm noch weh, wenn er sich drehte oder zu weit in eine Richtung beugte, aber das war auszuhalten, sodass er ihr zurückschrieb:
Ja.
Ihre nächste und letzte SMS forderte ihn auf, um zehn in Fettes zu sein. Fox schickte seinerseits eine SMS an Jamie Breck, um ihm mitzuteilen, dass er bis Mittag beschäftigt sein würde. Breck rief ihn postwendend zurück.
»Mit Stoddart?«
»Der Unvergleichlichen.«
»Weißt du schon, was du sagen wirst?«
»Ich werde gebetsmühlenartig wiederholen, dass ich mit Vince' Tod nichts zu tun habe und du für nichts von alledem verantwortlich bist.«
»Vornehmen kannst du's dir ja mal. Und danach?«
»Dachte, ich könnte mit Ernie Wishaw reden.«
»Warum?«
»Er ist doch Stadtrat, oder? Vielleicht habe ich ja ein Problem, bei dem er mir behilflich sein könnte.« Fox hielt inne. »Es bringt nichts, wenn du dabei bist, Jamie.«
Breck schnaubte. »Versuch ruhig, mich davon abzuhalten.« »Wartet denn kein neues Quidnunc-Spiel auf dich?« »Ich bin derjenige, der über Wishaw Bescheid weiß, schon vergessen?« »Aber begegnet bist du ihm nie?« »Nein.«
»Es ist riskant, Jamie. Wenn Stoddart oder Giles Wind davon bekommen ...«
»Wenn du gehst, gehe ich auch«, konstatierte Breck. »Ende der Diskussion.«
Zuerst hatte Fox jedoch die kleine Angelegenheit mit Fettes und der Inneren von Grampian zu erledigen. Die drei Polizisten - Stoddart, Wilson und Mason - nahmen dieselben Positionen ein wie beim ersten Mal. Als Stoddart den Zustand von Fox' Gesicht bemerkte, hielt sie inne.
»Was ist denn mit Ihnen passiert?«
»Ich bin die Treppe runtergefallen.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Das ist doch normalerweise die Ausrede Ihrer Schwester, oder?«
»So sehen Sie zumindest, dass ich Sie gestern nicht verarscht habe.« Fox nahm das Ansteckmikrofon von Mason entgegen und befestigte es, bevor er sich setzte, an seinem Hemd.
»Da haben Sie wohl recht«, erwiderte Stoddart auf Fox' Bemerkung. »Allerdings wollte ich Ihnen gerade gratulieren ...«
»Wozu?«
»Dass Sie sich in der Zwischenzeit nicht wieder irgendwelche Schwierigkeiten eingehandelt haben.« Sie zögerte. »Da bin ich mir jetzt aber nicht mehr so sicher.«
Fox beugte sich auf seinem Stuhl etwas vor, auch wenn er dabei vor Schmerz kurz aufstöhnen musste.
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