Ein reizvolles Angebot
noch Hoffnung.
5. KAPITEL
„Rand, halt mich fest. Nur eine Minute.“
Rand konnte Taras Bitte kaum verstehen, so leise hatte sie sie ausgesprochen. Mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern stand sie vor ihm. Er konnte nachvollziehen, was ihn ihr vorging. Mehr als eine Stunde hatten Tara und er damit verbracht, gemeinsam die Sachen ihrer Mutter zusammenzupacken. Immer wieder hatte Tara mit den Tränen gekämpft. Mit zitternden Händen hatte sie die Kleider zusammengelegt und die Bücher abgestaubt, bevor sie die Sachen in die Kartons legte.
Dennoch schrillten bei Rand alle Alarmglocken. Fall nicht wieder auf ihre Tricks herein, sagte er sich. Aber wenn sie nur Theater spielte, um ihn weichzuklopfen, war es ein oscarreifer Auftritt. Oder war das Misstrauen schon so sehr zu Rands zweiter Natur geworden, dass er gar nichts mehr glaubte?
Immerhin war ihm die Situation nicht ganz fremd. Unwillkürlich musste er daran denken, wie das Personal in Kincaid Manor die Sachen seiner Mutter verpackt hatte. Er war vierzehn, und es war wenige Tage nach dem Unfall, an den Rand schon damals nicht glaubte. Zu gern hätte er den Lieblingsschal seiner Mutter behalten. Er hatte ihn so oft an ihr gesehen. Die farbig bedruckte indische Seide roch nach ihrem Parfüm. Aber sein Vater hatte ihm das Tuch wutentbrannt aus der Hand gerissen und Rand angeschrien: „Was bist du? Eine Schwuchtel? Geh hinauf auf dein Zimmer.“
Rand verstand das Wort und hatte sich zu Tode geschämt. Eine furchtbare Erinnerung. Schon zu dieser Zeit machte er sich Vorwürfe, dass er es nicht vermocht hatte, seine Mutter daran zu hindern, in den Wagen zu steigen. Die Selbstvorwürfe waren geblieben und hatten sich zu einem regelrechten Schuldkomplex ausgewachsen. Zwischen Mutter und Sohn hatte ein sehr inniges Verhältnis bestanden. Wie oft hatte sich Mary Elisabeth Kincaid bei Rand ausgeweint, wenn sie ihren Mann wieder einmal eines Seitensprungs verdächtigte. Sie hatte nicht daran gedacht, dass ein Junge von vierzehn Jahren mit der Rolle des Trostspenders der Mutter vollkommen überfordert war. Rand schob die Gedanken beiseite.
Tara in den Arm zu nehmen war nicht zu viel verlangt, sagte er sich schließlich. Sie tat ihm ehrlich leid. Außerdem war er ihr etwas schuldig. Denn Tara hatte nicht nur, wie Everetts Testament es verlangte, den Job übernommen und war dabei, das Kincaid-Erbe zu retten. Sie hatte sich bisher auch mit derartigem Einsatz in ihre Arbeit gestürzt, dass sie in drei Tagen mehr geschafft hatte als manche ihrer Kolleginnen in drei Wochen. Dabei hatte sie sich weder über die zwölfstündigen Arbeitstage noch über versäumte Mittagspausen beklagt.
Rand streckte die Hände aus, und Tara sank ihm an die Brust. Zögernd legte er die Arme um sie. Die weiche, einschmeichelnde Berührung ihres Körpers rief augenblicklich eine Reaktion in ihm hervor, auch wenn er versuchte, alle begehrlichen Regungen auszuschalten. Er konnte seinen Körper nicht täuschen und ignorieren, wie wunderbar sie sich anfühlte, wie gut sie roch, wie wohl es tat, ihre Wärme zu spüren, selbst wenn das alles eine Falle sein sollte.
Tara zitterte. Rand merkte, wie sein Hemd dort, wo ihr Kopf lag, von ihren Tränen feucht wurde. Er setzte sich auf die Kante des Pflegebetts, dessen Laken schon abgezogen waren, nahm Taras Hände und zog sie zwischen seine Knie. Er sah das Kopfteil des Betts, das in Taras früherer Wohnung gestanden hatte. Tara hatte es hinter das Bettgestell ihrer Mutter geschoben, um das Zimmer wohnlicher zu machen.
Rand kannte dieses Kopfteil aus dunklem, mit geschnitzten Verzierungen versehenem Holz recht gut. Es erinnerte ihn an heiße Nächte, die er mit Tara in ihrem Appartement verbracht hatte. Der Gedanke daran genügte, um die Reaktion, die ihre Berührung bei ihm ausgelöst hatte, spürbar zu verstärken. Die Unruhe in ihm wuchs.
„Alles okay mit dir?“, fragte er, während er nervös hin und her rutschte.
Sie nickte schwach und rückte näher an ihn heran. Er fühlte den sanften Druck ihrer Brüste. Um ein wenig Abstand von ihr zu bekommen, lehnte sich Rand zurück in die Kissen, mit dem Erfolg, dass Tara sich neben ihm aufs Bett legte, sich in ganzer Länge eng an ihn schmiegte und den Kopf an seine Brust lehnte.
Tara weinte immer noch leise vor sich hin. „Es ist so schwer. All die Erinnerungen kommen wieder hoch …“, flüsterte sie stockend.
Rand blieb nichts anderes übrig, als ihr tröstend den Rücken zu streicheln. Nach
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