Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music
durfte.
»Ich kann sie Ihnen vorbeibringen«, sagte er, und ihr Lächeln wurde strahlender, um dann wieder zu verblassen.
»Deadline ist nächste Woche«, war ihr plötzlich eingefallen.
»Kein Problem«, beruhigte Rebus sie. »Und es tut mir leid, dass wir von Mr. Todorows Mörder nach wie vor keine Spur haben.«
Ihre Miene wurde noch betrübter. »Ich bin sicher, Sie tun Ihr Bestes.«
»Danke für Ihr Vertrauen.« Er schwieg kurz. »Sie haben mich noch immer nicht gefragt, warum ich hier bin.«
»Ich dachte, Sie würden es mir schon noch sagen.«
»Ich recherchiere Mr. Todorows Leben, suche nach Feinden.«
»Alexander hatte sich den Staat zum Feind gemacht, Inspector.«
»Das glaube ich Ihnen gern. Aber mir wurde zugetragen, man habe ihm den Lehrauftrag entzogen, weil er zu intim mit seinen Studentinnen umging. Ich vermute aber, dass die Person, von der ich das weiß, mir einen Bären aufbinden wollte.«
Doch sie schüttelte den Kopf. »Nein, es ist wahr – Alexander hat es mir selbst erzählt. Die Vorwürfe waren natürlich völlig aus der Luft gegriffen, sie wollten ihn einfach loswerden, egal mit welchen Mitteln.« Sie klang so, als wäre sie anstelle des Dichters gekränkt.
»Entschuldigen Sie die Frage, aber … hat er es jemals bei Ihnen versucht, Dr. Colwell?«
»Ich habe einen Partner, Inspector.«
»Bei allem Respekt, Dr. Colwell, Sie sind eine schöne Frau, und ich habe den Eindruck, dass Alexander Todorow eine Schwäche für Frauen hatte. Ich bezweifle, dass ihn die Existenz eines Partners, wenn es sich dabei nicht gerade um einen Ninja-Killer handelte, entmutigt hätte.«
Sie schenkte ihm ein weiteres Lächeln und senkte die Lider in gespielter Bescheidenheit.
»Nun«, gestand sie, »Sie haben natürlich recht. Nach ein paar Drinks schien Alexanders Libido immer neu aufzublühen.«
»Hübsch formuliert. Sind das seine Worte?«
»Alles eigene Forschungsergebnisse, Inspector.«
»Er scheint Sie allerdings als Freundin betrachtet zu haben, sonst hätte er Sie ja wohl kaum so ins Vertrauen gezogen.«
»Ich weiß nicht, ob er überhaupt Freunde hatte, wirkliche Freunde. Schriftsteller sind manchmal so – sie betrachten den Rest der Menschheit als Quellenmaterial. Können Sie sich vorstellen, mit jemandem im Bett zu liegen und zu wissen, dass er anschließend darüber schreiben wird? Zu wissen, dass die ganze Welt Anteil an diesen intimsten Augenblick haben wird?«
»Ich verstehe, was Sie meinen.« Rebus räusperte sich. »Aber er muss doch irgendeine Möglichkeit gehabt haben, diese Libido, von der Sie sprachen … zu ›stillen‹?«
»Oh, an Frauen litt er keinen Mangel, Inspector.«
»Studentinnen? Hier in Edinburgh?«
»Kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Oder was ist mit Abigail Thomas von der Poetry Library? Sie schienen der Ansicht zu sein, dass sie in ihn verschossen war.«
»Dürfte kaum auf Gegenseitigkeit beruht haben«, meinte Colwell abschätzig. Dann, nach kurzer Überlegung: »Glauben Sie wirklich, Alexander könnte von einer Frau ermordet worden sein?«
Rebus zuckte die Achseln. Er stellte sich vor, wie Todorow, mehr als nur ein paar Drinks intus, die King’s Stables Road entlangschlenderte und ihm eine Frau plötzlich völlig unverbindlichen Sex anbot. Wäre er einer Unbekannten so ohne weiteres gefolgt? Wahrscheinlich. Noch wahrscheinlicher aber mit jemandem, den er kannte …
»Hat Mr. Todorow jemals einen gewissen Andropow erwähnt?«, fragte er.
Sie sprach sich den Namen mehrmals lautlos vor und gab es dann auf. »Tut mir leid«, sagte sie.
»Noch ein Versuch: Wie steht’s mit einem gewissen Cafferty?«
»Ich bin Ihnen wirklich keine Hilfe, was?«, sagte sie kopfschüttelnd.
»Manchmal ist es ebenso wichtig, etwas ausschließen, wie etwas einschließen zu können«, beruhigte er sie.
»Wie bei Sherlock Holmes?«, fragte sie. »Wenn man das -« Sie brach stirnrunzelnd ab. »Ich kann mir dieses Zitat nie richtig merken, aber Sie kennen es bestimmt?«
Er nickte, damit sie ihn nicht für ungebildet hielt. Auf dem Weg zur Arbeit kam er jeden Tag am Sherlock-Holmes-Denkmal am Kreisel auf der Leith Street vorbei. Wie er irgendwann erfuhr, bezeichnete es die Stelle, an der bis zu seinem Abriss Conan Doyles Elternhaus gestanden hatte.
»Und? Wie heißt es richtig?«
Er zuckte die Schultern. »Es geht mir wie Ihnen, ich krieg’s irgendwie auch nie richtig zusammen …«
Sie stand auf und ging um den Schreibtisch herum; als sie sich an ihm vorbeiquetschte,
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