Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music
streifte ihr Rock seine Beine. Sie zog ein Buch aus einem der Regale. Wie Rebus vom Rücken ablas, war es eine Zitatensammlung. Sie fand den Doyle-Abschnitt und fuhr mit dem Finger die Zeilen entlang, bis sie das Gesuchte gefunden hatte.
»›Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das Verbleibende, so unwahrscheinlich es auch sein mag, die Wahrheit sein.‹»Sie runzelte wieder die Stirn. »Ich hatte es irgendwie anders in Erinnerung. Ich dachte, es ginge darum, das Mögliche auszuschließen, nicht dessen Gegenteil.«
»Mhmm«, sagte Rebus in der Hoffnung, sie würde es als Zustimmung deuten. Er stellte seinen leeren Becher auf den Tisch. »Tja, Dr. Colwell, da ich Ihnen einen Gefallen getan habe …«
»Eine Hand wäscht die andere?« Sie klappte das Buch zu. Staub wirbelte auf.
»Ich hatte mich gerade gefragt, ob ich wohl den Schlüssel zu Todorows Wohnung haben könnte.«
»Sie haben Glück. Jemand vom Bauamt wollte vorbeikommen und ihn abholen, aber er hat sich bislang nicht blicken lassen.«
»Was wird mit seinen ganzen Sachen passieren?«
»Das Konsulat sagte, es würde sich darum kümmern. Irgendwelche Verwandten muss es in Russland ja geben.« Sie war wieder hinter den Schreibtisch getreten und hatte aus einer Schublade den Schlüssel genommen. Rebus nahm ihn entgegen und dankte ihr mit einem Nicken. »Hier im Erdgeschoss gibt’s einen Hausmeister«, erklärte sie. »Wenn ich nicht da sein sollte, können Sie ihn jederzeit bei ihm lassen.« Sie schwieg kurz. »Und Sie denken an diese Aufnahme?«
»Aber sicher.«
»Es ist bloß, weil das Studio ziemlich sicher zu sein schien, dass das die einzige verbliebene Kopie ist. Armer Mr. Riordan – was für eine schreckliche Art zu sterben …«
Wieder draußen, stieg Rebus die Treppe vom George Square zum Buccleuch Place hinunter. Es waren ein paar Studenten unterwegs. Ja, so wie sie aussahen, konnte man sie eigentlich nur als Studiosi bezeichnen. Er blieb am Fuß der Treppe stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden, aber es wurde spürbar kälter, und er entschied, dass er sie genauso gut drinnen rauchen konnte.
In Todorows Wohnung schien seit seinem ersten Besuch nichts verändert worden zu sein, außer dass jemand – höchstwahrscheinlich Scarlett Colwell auf der Suche nach dem unauffindbaren Gedicht – den Inhalt des Papierkorbs glatt gestrichen und auf dem Schreibtisch ausgebreitet hatte. Rebus hatte seine sechs Exemplare von Astapowo Blues ganz vergessen. Er musste jemanden mit einem eBay-Konto ausfindig machen, damit er sie verhökern konnte. Als er sich etwas genauer im Zimmer umsah, stellte er fest, dass jemand einige Bücher des Dichters mitgenommen hatte. Wieder Colwell? Oder sonst jemand von der Uni? Rebus fragte sich, ob ihm jemand zuvorgekommen war und ein Überangebot an Todorow-Sammelstücken schon die Preise verdarb. Ein Klingeln riss ihn aus seinen Gedanken, und er holte das Handy heraus. Die Nummer kam ihm nicht bekannt vor, aber sie fing mit einer Auslandsvorwahl an.
»Detective Inspector Rebus«, meldete er sich.
»Hallo, Roddy Denholm hier, der Ihren geheimnisvollen Anruf erwidert.« Die Stimme hatte einen kultivierten angloschottischen Akzent.
»So geheimnisvoll nicht, Mr. Denholm, und danke sehr für Ihren Rückruf.«
»Sie können von Glück sagen, dass ich eine Nachteule bin, Inspector.«
»Es ist mitten am Tag...«
»Aber nicht in Singapur.«
»Mr. Blackman hatte auf Melbourne oder Hongkong getippt.«
Denholm lachte ein kehliges Raucherlachen. »Ich könnte ja genaugenommen sonstwo sein, oder? Ich meine, ich könnte genauso gut hinter der nächsten Ecke stehen. Schon eine tolle Sache, diese Mobiltelefone …«
»Wenn Sie hinter der nächsten Ecke stehen, Sir, dürfte es billiger sein, die Sache persönlich zu besprechen.«
»Sie könnten ja immer noch in den nächsten Flieger nach Singapur hüpfen.«
»Ich versuche zurzeit, meine Klimaschädlichkeit zu reduzieren, Sir.« Rebus blies Zigarettenrauch zur Zimmerdecke empor.
»Wo sind Sie jetzt gerade, Inspector?«
»Buccleuch Place.«
»Ah ja, im Universitätsviertel.«
»Aufrecht in eines toten Mannes Wohnung.«
»Eine interessante Formulierung, die mir meines Wissens bislang noch nicht untergekommen ist.« Der Künstler klang gebührend beeindruckt.
»Er war in einer etwas anderen Sparte als Sie tätig, Sir – ein Dichter namens Alexander Todorow.«
»Ich hab schon von ihm gehört.«
»Er wurde vor knapp einer Woche ermordet, und im Zuge der
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