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Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music

Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music

Titel: Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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achten, fing Clarke an zu lesen.
    Des Winters Zunge leckt die Kinder von Schdanow … Des Teufels Zunge leckt Mütterchen Russland, überzieht Geschmacksknospen mit kostbaren Metallen. Herzloser Appetit... Des Bauches Gier kennt keine Sattheit, keinen Moment der Stille, keine Liebe.Verlangen reift, doch nur zur Fäule. Hier gibt es Brosamen für alle in der Glut des Hungers, Kasteiungen für alle, auf die des Winters Schatten fällt... Welch ein Pack von Betrügern, mein Volk!
    Clarke las es noch zweimal durch, sah dann zu Colwell. »Nicht besonders gut, oder?«
    »Müsste noch hier und da etwas gefeilt werden«, antwortete die Dozentin etwas eingeschnappt.
    »Ich meine nicht Ihre Übersetzung«, sagte Clarke.
    Schließlich nickte Colwell. »Aber da steckt echter Zorn drin.«
    Clarke erinnerte sich an Professor Gates’ Worte, während er Todorow obduziert hatte – da war blinde Wut am Werk. »Ja«, pflichtete sie ihr bei. »Und dazu diese ganzen Essensmetaphern …«
    Bei Colwell fiel der Groschen. »Der Zeitungsartikel? Aber der ist doch erst nach Alexanders Tod erschienen …«
    »Schon, aber das Dinner selbst fand ein paar Tage vorher statt – vielleicht hatte er irgendwie davon erfahren.«
    »Sie wollen also damit sagen, dass das Gedicht vom Geschäftsmann handelt?«
    »Aus dem Stegreif gedichtet, ein poetischer Schlag ins Gesicht. Andropow hat sein Vermögen genau mit den ›kostbaren Metallen‹ gemacht, von denen Todorow spricht.«
    »So dass er also der Teufel wäre?«
    »Sie klingen nicht sonderlich überzeugt.«
    »Das ist bloß eine Rohübersetzung … an mehreren Stellen bloß geraten. Ich bräuchte dafür wirklich mehr Zeit.«
    Clarke nickte, dann fiel ihr etwas ein. »Darf ich Ihnen eine andere CD vorspielen?« Sie kramte in ihrer Tasche, fand das Gesuchte und kniete sich vor die Hi-Fi-Anlage. Wieder dauerte es eine Weile, aber dann hatte sie die Stelle, an der Charles Riordans umherwanderndes Mikrofon während der Word-Power-Lesung die russische Stimme aufgenommen hatte.
    »Da«, sagte Clarke.
    »Das sind nur zwei Wörter«, sagte Colwell. »Er nimmt einen Anruf an. Er sagt lediglich ›Hallo‹ und ›ja‹.«
    »War einen Versuch wert«, meinte Clarke seufzend, drückte auf die Auswurftaste und stand auf. Sie streckte die Hand nach dem Notizblock aus. »Darf ich das Gedicht solange behalten? Bis Sie etwas hinbekommen haben, das eher Ihren Vorstellungen entspricht?«
    »Gab es böses Blut zwischen Alexander und diesem Geschäftsmann?«
    »Ich bin mir nicht sicher.«
    »Aber das wäre ein Motiv, stimmt’s? Und wenn sie sich in dieser Bar wieder getroffen haben …«
    Clarke hob warnend eine Hand. »Wir haben keinerlei Hinweis darauf, dass sie sich in dieser Bar auch nur gesehen haben, deswegen wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie das alles für sich behalten würden, Dr. Colwell. Andernfalls könnte das die Ermittlungen gefährden.«
    »Ich verstehe.« Die Dozentin nickte. Clarke riss das Blatt aus dem Notizblock und faltete es zweimal zusammen.
    »Noch ein kleiner Tipp«, sagte sie. »Die letzte Zeile des Gedichts, die ist ein Zitat von Burns. Es heißt nicht ›Welch ein Pack von Betrügern, mein Volk!‹, es heißt: ›O über die Volksverräter‹ …«

39
    Rebus saß an Morris Gerald Caffertys Bett.
    Er hatte seinen Dienstausweis gezeigt und die Tagschicht gefragt, ob sonst noch jemand Cafferty besucht habe. Die Schwester hatte den Kopf geschüttelt.
    Nein, denn Cafferty hatte – entgegen dem, was er Rebus gegenüber behauptet hatte – überhaupt keine Freunde. Seine Frau war tot, sein Sohn vor Jahren ermordet worden, sein getreuer Leutnant nach einem Streit »verschwunden«. Im Haus gab es nur den einen Leibwächter, und dessen Hauptsorge dürfte momentan die Frage gewesen sein, wo sein nächstes Gehalt herkommen würde. Mit Sicherheit gab es Buchhalter und Anwälte – Stone kannte vermutlich Namen und Adressen -, aber das waren keine Leute, die Krankenbesuche machten. Cafferty lag noch auf der Intensivstation, aber Rebus hatte gehört, wie sich zwei Krankenhausmitarbeiter über einen drohenden Bettennotstand unterhielten. Vielleicht würden sie ihn wieder in eine offene Station verlegen. Oder aber, falls sich was von seinem Geld lockermachen ließ, in ein Einzelzimmer. Vorerst schien er mit den Schläuchen, Apparaten und flimmernden Bildschirmen vollauf zufrieden zu sein. An seinem Schädel waren Drähte befestigt, die seine Hirnströme maßen. Mit einem Arm hing er am Tropf. Cafferty

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