Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music
schien eine Art Nachthemd zu tragen, das eine Vorder-, aber, wie Rebus vermutete, keine Rückseite hatte. Seine Arme waren nackt, und die Haare, die sie bedeckten, sahen wie Silberdrähte aus. Rebus stand auf, beugte sich über Caffertys Gesicht und fragte sich, ob das Gerät vielleicht ein plötzliches Bewusstsein seiner Anwesenheit registrieren würde, aber auf dem Monitor zeigte sich keinerlei Veränderung. Er verfolgte mit den Augen die Verbindung von Caffertys Körper zu den Geräten und von dort zu den Steckdosen in der Wand. Cafferty lag nicht im Sterben, so viel hatte ihm der Arzt verraten – ein weiterer Grund, ihn aus der Intensivstation zu verlegen. Rebus betrachtete Caffertys Knöchel und Fingernägel, die dicken Handgelenke, die trockene weiße Haut an den Ellbogen. Er war ein großer, massiger Mann, das schon, aber nicht besonders muskulös. Die Falten am Hals sahen wie die Ringe eines frisch gefällten Baums aus. Der Unterkiefer hing schlaff herunter, der Mund stand wegen des dort eingeführten Schlauchs offen. Über eine Wange zog sich die Spur von krustig eingetrocknetem Speichel. So mit geschlossenen Augen sah Cafferty völlig harmlos aus. Das wenige Haar auf seinem Kopf hätte mal wieder eine Wäsche vertragen. Die Krankenblätter am Fußende des Betts hatten Rebus nichts verraten, reduzierten das Leben des Patienten lediglich auf eine Reihe von Zahlen und Kurven. Unmöglich zu erkennen, ob eine aufsteigende Linie ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war …
»Wach auf, du alter Drecksack«, flüsterte Rebus dem Gangster ins Ohr. »Pause ist zu Ende.« Keine Reaktion. »Hat keinen Zweck, dich in diesem dicken Schädel zu verstecken. Ich warte hier draußen auf dich.«
Nichts, abgesehen von einem kehligen Gurgeln – und das Geräusch produzierte Cafferty etwa alle dreißig Sekunden. Rebus ließ sich wieder auf seinen Stuhl sinken. Als er angekommen war, hatte ihn eine Schwester gefragt, ob er der Bruder des Patienten sei.
»Spielt das eine Rolle?«, hatte er wissen wollen.
»Ich meine nur, weil Sie ihm schon ähnlich sehen«, hatte sie geantwortet. Er entschied, dass die Story es wert war, dem Patienten erzählt zu werden, aber bevor er damit anfangen konnte, vibrierte es in seiner Hemdtasche. Er zog sein Handy heraus und schaute sich um für den Fall, dass jemand was dagegen haben könnte.
»Was gibt’s, Shiv?«, fragte er.
»Andropow und sein Fahrer waren auf der Lesung in der Poetry Library. Todorow hat ein Gedicht improvisiert, und ich glaube, es war auf Andropow gemünzt.«
»Interessant.«
»Gönnen die Ihnen gerade eine Atempause?«
Rebus brauchte einen Moment, um zu begreifen, was sie meinte. »Ich werde nicht ausgequetscht. Auf dem Überschuh war bloß Blut – selbe Gruppe wie Cafferty.«
»Wo sind Sie also jetzt?«
»Am Bett des Patienten.«
»Herrgott, John, was wird das für einen Eindruck machen?«
»Ich hatte nicht vor, ihm ein Kissen aufs Gesicht zu drücken.«
»Aber angenommen, er kratzt ab, während Sie bei ihm sind?«
»Kein schlechtes Argument, DS Clarke.«
»Dann verschwinden Sie da.«
»Wo sollen wir uns treffen?«
»Ich muss zurück zum Gayfield Square.«
»Ich dachte, wir wollten uns den Fahrer schnappen?«
»Wir tun nichts dergleichen.«
»Das heißt, Sie wollen es erst von Derek Starr absegnen lassen?«
»Ja.«
»Er kennt den Fall nicht so gut wie wir, Siobhan.«
»John, bislang haben wir null Komma nichts in der Hand.«
»Das seh ich anders. Allmählich zeichnen sich alle möglichen Querverbindungen ab … erzählen Sie mir nicht, dass Sie das nicht spüren!« Er war wieder aufgestanden, aber nur, um sich über Caffertys Gesicht zu beugen. Eins der Geräte gab einen lauten Piepton von sich, dem Clarke einen emphatischen Seufzer hinzufügte.
»Sie sind immer noch an seinem Bett«, stellte sie fest.
»Ich dachte, seine Augenlider hätten geflattert. Also, wo treffen wir uns?«
»Ich möchte die Sache erst mit Starr und Macrae besprechen.«
»Reden Sie lieber mit Stone.«
Sie schwieg einen Augenblick. »Ich hab mich wohl verhört.«
»Die SCD hat mehr Einfluss als wir. Reden Sie mit ihm über die Todorow-Andropow-Connection.«
»Warum?«
»Weil sie Stone in seiner Ermittlung gegen Cafferty von Nutzen sein könnte. Andropow ist Geschäftsmann … Geschäftsleute sind immer für einen Deal zu haben.«
»Sie wissen, dass es niemals dazu kommen wird.«
»Warum red ich mir dann den Mund fusslig?«
»Weil Sie glauben, ich müsste Stone
Weitere Kostenlose Bücher