Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music
Schauspielerin, wird natürlich verständlich, wieso Sie glaubten, Sie würden damit durchkommen.« Er beugte sich vor, als wollte er sie ins Vertrauen ziehen. »Die Sache ist bloß – wir haben es jetzt mit zwei Morden zu tun. Und das bedeutet, wir können es uns nicht leisten, uns ablenken zu lassen. Bevor Sie sich also in ernsthafte Schwierigkeiten bringen, sollten Sie vielleicht mit der Wahrheit herausrücken.«
Morgans Lippen waren so bleich wie ihre Wangen. Ihre Augenlider flatterten, und einen Moment lang dachte er, sie würde gleich in Ohnmacht fallen.
»Ich weiß nicht, was Sie meinen«, sagte sie.
»Ich würde diesen Schauspielunterricht an Ihrer Stelle noch nicht absetzen, denn ich glaube, Sie haben in der Hinsicht noch das eine oder andere zu lernen. Sie sind kreidebleich, Ihre Stimme zittert, und Sie blinzeln wie ein Kaninchen, das von Autoscheinwerfern geblendet wird.« Rebus lehnte sich wieder zurück. Er war gerade mal fünf Minuten da, meinte aber, aus dem, was er bislang gesehen hatte, Gill Morgans ganzes Leben herauslesen zu können: unbeschwerte Kindheit, Eltern, die sie mit Geld und Liebe überschütteten, eine abgeschlossene Ausbildung in Sachen Selbstsicherheit und nie mit einem Problem konfrontiert gewesen, aus dem sie sich nicht mit ein paar zuckersüßen Worten hätte herausreden können.
Bis jetzt.
»Gehen wir’s langsam an«, sagte er mit sanfterer Stimme, »in aller Ruhe. Wie haben Sie Nancy kennengelernt?«
»Auf einer Party, glaube ich.«
»Sie glauben?«
»Ich war mit Freunden in einigen Bars gewesen … am Schluss sind wir auf dieser Party gelandet, und ich kann mich nicht erinnern, ob Nancy schon da war oder ob sie sich irgendwie unterwegs an unsere Gruppe gehängt hatte.«
Rebus nickte. »Wie lange ist das her?«
»Drei oder vier Monate. So um die Festivalzeit herum.«
»Ich tipp mal, dass Sie beide aus unterschiedlichen Schichten stammen.«
»Absolut.«
»Was haben Sie also für Gemeinsamkeiten zwischen sich entdeckt?« Sie schien darauf keine Antwort parat zu haben. »Ich meine, irgendetwas muss doch dazu beigetragen haben, dass Sie sich näherkamen?«
»Man kann mit ihr einfach gut lachen.«
»Warum habe ich bloß das Gefühl, dass Sie mich schon wieder anlügen? Liegt’s an der zittrigen Stimme oder an den flatternden Augenlidern?«
Morgan sprang auf. »Ich brauche Ihnen überhaupt keine Fragen zu beantworten! Haben Sie überhaupt eine Ahnung, wer meine Mutter ist?«
»Ich hatte mich schon gefragt, wann das endlich kommen würde«, entgegnete Rebus mit einem zufriedenen Lächeln. »Na, dann sagen Sie’s mir, überraschen Sie mich.« Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
»Sie ist die Frau von Sir Michael Addison.«
»Er ist also nicht Ihr leiblicher Vater?«
»Mein Vater starb, als ich zwölf war.«
»Und Sie haben seinen Nachnamen behalten?« Die Wangen der jungen Frau hatten wieder Farbe angenommen. Sie hatte beschlossen, sich wieder zu setzen, ihre Füße aber diesmal auf dem Fußboden zu lassen. Rebus legte seine Hände jetzt auf die Sessellehnen. »Und wer ist also Sir Michael Addison?«, fragte er.
»Der Generaldirektor der First Albannach Bank.«
»Jemand, mit dem man sich gern gut stellt, vermutlich.«
»Er hat meiner Mutter vom Alkohol wegeholfen«, erklärte Morgan, die Augen starr auf Rebus gerichtet. »Und er liebt uns beide sehr.«
»Schön für Sie, aber dem armen Schwein, das auf der King’s Stables Road umgebracht wurde, hilft das nicht sonderlich weiter. Ihre Freundin Nancy hat die Leiche gefunden und uns angelogen, als wir sie fragten, wo sie gerade herkäme. Sie gab Ihren Namen an, Gill, und Ihre Adresse. Und das bedeutet, sie muss Sie für eine verdammt gute Freundin halten, eine von der Sorte, die ihretwegen eher ins Gefängnis gehen würde, als die Wahrheit zu sagen …«
Seine Stimme war lauter geworden.
»Glauben Sie, Ihr Stiefvater fände es gut, was Sie tun, Gill?«, fuhr er fort, jetzt wieder mit leiserer Stimme. »Glauben Sie, Ihre arme Mom fände das gut?«
Gill Morgan hatte den Kopf gesenkt und musterte ihre Handrücken. »Nein«, sagte sie leise.
»Nein«, pflichtete Rebus ihr bei. »Jetzt sagen Sie mir eins: Wenn ich Sie in diesem Moment fragen würde, wo Nancy wohnt, könnten Sie mir eine Antwort darauf geben?«
Eine einzelne Träne kullerte der jungen Frau über die Wange. Sie drückte sich Daumen und Zeigefinger auf die Augen, blinzelte dann weitere Tränen weg. »Irgendwo in der Nähe von der
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