Ein Rezept für die Liebe: Roman (German Edition)
beeilen und ihr so schnell wie möglich ins Grab zu folgen, da er nicht ohne sie hatte leben wollen. Er hatte schlicht und ergreifend nicht gewusst, wie er ohne sie leben sollte.
Doch in letzter Zeit dachte er immer wieder, dass es vielleicht doch nicht so gut wäre, ihr unmittelbar ins Grab zu folgen. Wie es aussah, war er ohnehin zu gesund dafür, außerdem dauerte es viel zu lange.
Er öffnete den Schrank, den er fast fünfzig Jahre mit seiner Frau geteilt hatte. Ihr Morgenrock hing noch an derselben Stelle wie früher. Ebenso wie ihre Hosen, ihre Blusen und ihre Tom-Jones-Lederjacke. Stanley nahm die Kleiderbügel heraus und legte die Kleider aufs Bett. Er trat noch drei weitere Male an den Kleiderschrank, und als er fertig war, hatte sich ein beachtlicher Stapel angesammelt.
Kürzlich hatte er Katie gebeten, einige von Melbas Sachen zusammenzupacken, aber dies hier war seine Aufgabe. So hätte sie es gewollt, und vielleicht war er jetzt bereit dafür. In seinem Herzen lebte Melba für immer weiter, doch nicht in den Kleidern im Schrank und auch nicht in ihrer Tom-Jones-Sammlung. Was auch immer mit ihm passieren würde oder wie lange er noch leben mochte, er würde sie niemals vergessen. Und er würde niemals aufhören, sie zu lieben.
Und vielleicht, nur vielleicht, würde er den Rest seines Lebens nicht allein verbringen und darauf warten müssen, bis der Tod endlich kam. Vielleicht war es an der Zeit, nach vorn zu blicken. Sein Leben wieder in die Hand zu nehmen. Vielleicht gab es in seinem alten Herzen Platz für zwei Frauen.
Grace Sutter besaß nicht die geringste Ähnlichkeit mit Melba. Melba hatte sich gern amüsiert, außerdem hatte sie einen boshaften Humor gehabt und gern gelacht. Grace war ein wenig feinsinniger. Sie schrieb gern Gedichte und beobachtete die Vögel durchs Küchenfenster. Jede der beiden Frauen war auf ihre Weise ein wunderbares Geschöpf.
Stanley ging in die Garage und trug ein paar Kartons ins Haus, die er aus dem Laden mitgebracht hatte. Als er Melbas Sachen in die Schachteln legte, brach jener Teil seines Herzens, der seine Frau über fünfzig Jahre lang geliebt hatte, noch einmal. Er zog ihre Schubladen auf und räumte den Inhalt in die Kartons, ehe er einen Augenblick innehielt, um das rosa Nachthemd in den Händen zu halten, das sie immer getragen hatte, wenn sie ein wenig Zeit mit ihm im Schlafzimmer hatte verbringen wollen.
Er liebte sie. Immer noch. Und das würde er auch immer tun. Er griff nach der Rolle Klebeband und verschloss die Kartons. Seine Augen füllten sich mit Tränen, und eine einzelne löste sich und rollte über seine runzlige Wange. »Auf Wiedersehen, Melba. Ich gebe deine Sachen weg, aber ich werde dich nie vergessen. Du warst meine Frau, meine Geliebte, meine Freundin. Lange Zeit warst du mein Leben, aber jetzt bist du fort. Als du gegangen bist, war ich einsam, aber jetzt nicht mehr ganz so sehr. Ich habe Katie und Grace.« Er trat vor seine Kommode und nahm ein Taschentuch aus der Schublade, mit dem er sich die Augen trocken wischte und die Nase putzte – ein lautes Trompeten, das den Raum erfüllte. »Du hast Grace immer sehr gemocht. Und jetzt tue ich das auch.« Sogar mehr als das. Er liebte sie. Er steckte das Taschentuch in seine Hosentasche. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass Ada Dover oder Iona Osborn mich bekommt.« Manchmal, wenn sie beide nachts wach im Bett gelegen und darüber gesprochen hatten,
was passieren würde, wenn einer von ihnen vor dem anderen stürbe, hatte Melba ihm das Versprechen abgenommen, auf keinen Fall zuzulassen, dass Ada oder Iona sich ihn angelten. Es hatte ihn keinerlei Mühe gekostet, dieses Versprechen zu halten.
Einen Karton nach dem anderen trug er nach draußen und stellte sie neben seinen 85er Ford Pick-up. Solange Melbas Kleider noch im Schrank gehangen und ihre angefangenen Bastelarbeiten in dem Regal gestanden hatten, war es ihm nicht richtig erschienen, sich auf eine andere Frau einzulassen.
Er lud die Kartons auf die Ladefläche seines Wagens. Am nächsten Morgen überließ er den M & S Market Katies Obhut und fuhr nach Boise, um die Sachen bei der Heilsarmee abzugeben. Er lud die Kartons ab und fuhr wieder nach Hause. Natürlich hätte es Altkleidersammlungen in der Nähe von Gospel gegeben, aber der Gedanke, eines Tages eine Frau in Melbas Tom-Jones-Lederjacke auf der Straße zu sehen, war ihm unerträglich gewesen.
Als er wieder zurück war, ging er zu Grace und sah zu, wie die Sonne
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