Ein Ring von Tiffany - Roman
Sicher würde sie bei der Gelegenheit auch seine Eltern kennenlernen - normalerweise wäre es dafür natürlich viel zu früh, aber wenn er nun schon den weiten Weg von Israel kam und seine Eltern in Philadelphia, also praktisch gleich nebenan, lebten, wäre es doch schlicht töricht, sich nicht zum Essen zu treffen, und sei es nur auf ein schnelles Mittagshäppchen irgendwo an der -
»Emmy? Schätzchen, ich hab dir doch gestern gesagt, dass ich heute nach Süden fahre. Weißt du das nicht mehr?« Seine Stimme klang besorgt, aber Emmy war sich sicher, auch einen Anflug von Gereiztheit herausgehört zu haben.
Natürlich wusste sie noch, dass er gesagt hatte, er müsse weg, aber sie hatte es keine Sekunde lang geglaubt.
Emmy kuschelte sich an ihn. »Doch, ich weiß es noch, Rafi, aber das war... das war gestern. Musst du immer noch weg?« Gott, ihre Stimme klang ja furchtbar - flehentlich und ein bisschen kläglich. Da hatte sie jedem, der es hören wollte, ausführlich erklärt, dass sie nur auf flüchtigen, unverbindlichen Sex aus war, und jetzt klammerte sie sich hier wie ein Rankenfußkrebs an einen so gut wie wildfremden Mann. Bitte zieh nicht die Paul-Nummer ab! , dachte sie inständig. Bitte, bitte, bitte.
Er rückte ein Stückchen von ihr ab und bedachte sie mit einem seltsamen Blick. »Ja, ich muss immer noch weg« war das, was er tatsächlich sagte, doch was Emmy hörte, ging eher in die Richtung »Die letzten vierundzwanzig Stunden waren toll, aber nicht so toll, dass ich meine Pläne ändere und bei dir bleibe«.
Tief gekränkt hüllte Emmy das Laken fest um sich und drehte sich zur Seite, darauf bedacht, möglichst wenig Haut zu zeigen. Sie fühlte sich bloßgestellt und verletzlich, ja, aber es war mehr als nur das: Mit einem Schlag war ihr bewusst geworden, dass sie Rafi höchstwahrscheinlich nie mehr sehen würde. Was war eigentlich groß dabei, wenn sein Abgang lediglich bestätigte, dass sie einfach nur Spaß miteinander gehabt hatten? Etwas anderes wollte sie doch sowieso nicht. Rafi war süß und
sah gut aus, aber sie kannte ihn schließlich kaum und konnte sich ehrlich gesagt nicht vorstellen, den Rest ihres Lebens mit ihm zu verbringen. Warum sich also darüber aufregen, dass er ging, wenn er von vornherein nie einen Zweifel daran gelassen hatte? Es war simpel, so simpel, dass Emmy mutmaßte, jede Frau auf Erden hätte es instinktiv kapiert, auch wenn es keinem Mann ins Hirn ging: Sie wollte nicht unbedingt, dass er blieb, sondern nur, dass er bleiben wollte . War das denn wirklich zu viel verlangt? Und obwohl sie nie im Leben mit ihm gefahren wäre - offen gestanden konnte sie ein bisschen Zeit für sich gut gebrauchen, außerdem war sie mit ihrer Arbeit ziemlich im Rückstand -, hätte er doch wohl den Anstand haben können zu fragen? Eine schlichte Einladung, ihm Gesellschaft zu leisten? War das tatsächlich so unzumutbar?
Er stieg aus dem Bett und ging ins Bad.
»Ich gehe noch schnell unter die Dusche!«, rief er durch die schon fast geschlossene Tür. »Ich hoffe, du weißt, dass du mir gern Gesellschaft leisten kannst.«
Bei was? Bei der Dusche? Bei der Fahrt in den Süden? Beim Rest seines Lebens als seine geliebte Frau?
Gott, war das anstrengend. Wenn sie schon derartige Gefühle in jemanden investierte, sollte er wenigstens ein richtiger, fester Freund sein. Aber für so ein Techtelmechtel? Am Ende machte sie sich nur verrückt. Die Zweifel wirbelten durch ihren Kopf: Gib’s einfach zu, du bist für diese Lebensweise nicht geschaffen. Im tiefsten Herzen bist du nun mal monogam. Hör auf, dich wie eine unreife Partygöre aufzuführen, und so weiter und so weiter.
Sieh zu, dass du es auf die Reihe kriegst , befahl sich Emmy, während sie entschlossen ihre peinlichsten Blößen mit einem soliden Baumwollslip und einem ihrer alles verhüllenden, dick gepolsterten Liebestöter-BHs bedeckte. Als Nächstes kamen ein marineblauer Hosenanzug und eine weiße Bluse an die Reihe, und als die Dusche ausgestellt wurde, entschied sich Emmy anstelle
der hochhackigen Pumps, die sie in den letzten Wochen getragen hatte, für ihre klassischen Mokassins. Als Rafi in sauberen Jeans und einem blauen Hemd herauskam, saß Emmy sittsam auf dem Bett, blätterte in ihrem Filofax und versuchte, reserviert und schwer beschäftigt zu wirken.
Rafi beugte sich zu ihr hinunter, fasste ihr Haar zum Pferdeschwanz zusammen und küsste ihren Nacken. Es war eine intime Geste, wie zwischen zwei Menschen, die sehr
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