Ein Ring von Tiffany - Roman
viel Zeit miteinander verbracht haben, und einen Augenblick lang freute Emmy sich. Bis Rafi ihr Haar wieder losließ und, nach einem ziemlich väterlichen Kuss auf die Stirn, seine Uhr, seine Geldbörse und seinen Segeltuchrucksack zusammensuchte, was ihn gerade mal eine Minute kostete. Dass Emmy schwieg und offenbar gänzlich in ihre Terminplanung versunken war, schien ihn nicht weiter zu beunruhigen.
»Du hast bestimmt eine Menge zu tun, Schätzchen, darum mache ich lieber keine lange, sentimentale Abschiedsszene.« Er angelte seine Sonnenbrille vom Nachttisch und schob sie sich ins Haar.
»Mmm«, mehr brachte Emmy nicht heraus. Wollte er wirklich so sang- und klanglos verduften?
»Komm her, lass dich umarmen.« Er drückte ihren Arm zum Zeichen, dass sie aufstehen sollte; als sie gehorchte, fand sie sich so leidenschaftslos umfangen wie von einem distanzierten Großvater oder einem befreundeten Friseur. »Emmy, das war toll. Richtig, richtig toll.«
»M-hm«, murmelte sie erneut. Entweder er bemerkte es nicht, oder es war ihm egal.
Er ließ einen weiteren väterlichen Kuss und die obligatorische Umarmung folgen, dann ging er zur Tür. »Guten Flug morgen. Ich denke an dich.«
»Gleichfalls«, sagte sie mechanisch, ohne jede Regung, woraufhin er ein erleichtertes Lächeln sehen ließ, das zu sagen schien: Zum Glück zickst du nicht unnötig rum.
Dann war er weg. Kurz darauf wurde Emmy klar, dass er sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, sie nach ihrer E-Mail-Adresse oder ihrer Telefonnummer zu fragen: Sie würde ihn nie, nie mehr wiedersehen... und das kratzte ihn ganz offensichtlich nicht im Geringsten.
Die perfekte Beziehung für den Augenblick
Die Hände der Therapeutin, die ihre verspannten Schultern kneteten, fühlten sich fantastisch an, doch trotz der stimmungsvollen Musik, dem gedämpften Licht und dem nach Lavendel duftenden Aromatherapieöl konnte Leigh nicht abschalten. Der Monat, seit sie mit Jesse geschlafen hatte, war eine Tortur gewesen, und für jemanden, der sich mit Obsessionen und zwanghaften Verhaltensmustern auskannte, wollte das etwas heißen. Es war - buchstäblich - keine einzige Sekunde vergangen, in der sie nicht wieder und wieder durchkaute, was mit Jesse passiert war, was mit Russell passieren würde, oder eine verdrehte Kombination aus beidem. Ursprünglich hatte sie Russell sofort alles beichten wollen, doch auf der Rückfahrt von den Hamptons überlegte sie sich das Ganze noch einmal. Es erschien ihr nicht fair, weder Russell noch seinen oder ihren Eltern gegenüber, mit einer dramatischen - und höchstwahrscheinlich das Ende der Beziehung nach sich ziehenden - Enthüllung allen Beteiligten Thanksgiving zu verderben. Sehr gelegen kam ihr weiterhin eine Voicemail von Jesse, in der er ihr mitteilte, dass er tags darauf einen Indonesienurlaub antreten und erst nach Neujahr wieder zurück sein würde. Es war fast, als überreichte er ihr einen Freibrief auf einem Silbertablett, und obwohl ihr Gewissen um Erleichterung flehte, hatte sie beschlossen, die Schuldgefühle auszuhalten und so zu tun, als wäre alles in bester Ordnung, bis die Horrorwochen von Thanksgiving, Weihnachten und Neujahr überstanden waren.
Irgendwie hatte Leigh diese Zeit hinter sich gebracht, ohne
komplett zusammenzubrechen, aber sie war mit den Nerven am Ende. Da Emmy sich in Israel befand und Adriana in Brasilien, konnte sie nicht mal bei ihren Freundinnen loswerden, was geschehen war, obwohl - das ließ sich nicht leugnen - es sie auch erleichterte, es nicht laut aussprechen zu müssen. Sie hatte sogar eine besonders quälende Silvesterparty bei einem von Russells Kollegen durchgestanden - in einem Loft, der bis aufs i-Tüpfelchen dem von Russell glich, nur mit dem Unterschied, dass er in SoHo lag -, doch als sie am 2. Januar vereinbarungsgemäß wieder zur Arbeit antreten sollte, schaffte sie es nicht. Sie meldete sich für diesen und den folgenden Tag krank, was so unerhört war, dass es ihr eine misstrauische Nachfrage von Henry einbrachte.
»Sind Sie wirklich krank, Eisner, oder ist irgendetwas vorgefallen, von dem ich wissen sollte?«, erkundigte er sich. Sie hatte um sechs Uhr morgens angerufen und wollte ihm eigentlich eine Nachricht per Voicemail hinterlassen, aber er hatte sich nach dem zweiten Klingeln selbst gemeldet. Henry litt seit jeher an sonntagnächtlicher Schlaflosigkeit und war deshalb dazu übergegangen, montags schon um vier oder fünf Uhr früh im Büro zu sein; angeblich bekam
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