Ein Ring von Tiffany - Roman
doch einen Schlag.
Russell stand auf und ging zur Tür. »Okay«, sagte er ruhig, mit der beherrschten Stimme, die im Fernsehen immer so gut ankam. »Dann gibt es wohl nichts weiter zu sagen. Ich liebe dich, Leigh, und werde dich immer lieben, aber ich möchte, dass du jetzt gehst.«
Diese letzten Worte begleiteten Leigh, als sie zum ersten Mal nach Verlassen seiner Wohnung nur für sich selbst ein Taxi anhielt und hinten einstieg. Fast so schnell, wie sie begonnen hatte, war ihre Beziehung vorbei, und mit ihr auch die Beklemmung, die sie monatelang gespürt hatte. Sie holte lang und tief Luft, und während das Taxi über die Sixth Avenue auf ihren Wohnblock zubrauste, gestand sie es sich endlich ein: Ja, sie war tieftraurig über das, was eben geschehen war, aber vor allem war sie erleichtert.
Mögen ihre munteren Megamöpse ihr mit dreißig Rückenschmerzen bescheren
»Emmy, seit Sie das erste Mal zu mir in die Praxis gekommen sind, sage ich es Ihnen wieder und wieder. Sie haben noch reichlich Zeit.«
»Da sind die Magazine da draußen aber anderer Meinung!«, wandte Emmy ein und deutete zur Tür. »Ist das nicht ein bisschen schizophren, mir einerseits zu erzählen, ich hätte alle Zeit der Welt, und andererseits Ihr Wartezimmer mit tausend Artikeln vollzustopfen, die mir alle erklären, dass meine Eierstöcke kurz vorm Verschrumpeln sind?«
Dr. Kim seufzte. Sie war eine hübsche Asiatin von zweiundvierzig, die mindestens fünfzehn Jahre jünger aussah, aber das kratzte Emmy nicht. Die gute Frau Doktor, die Emmy bei jedem einzelnen Termin (und manchmal auch zwischendurch) versicherte, ihre gebärfreudigen Jahre lägen noch vor ihr, hatte ihrerseits bereits drei Wonneproppen, zwei Jungen und ein Mädchen, zur Welt gebracht, und zwar allesamt vor ihrem einunddreißigsten Geburtstag. Emmy hatte Dr. Kim wiederholt gefragt, wie sie Ehemann, Studium, Haushalt und drei Kinder unter einen Hut bekommen habe, während sie gleichzeitig noch vier Tage die Woche arbeitete sowie jede dritte Nacht und jedes zweite Wochenende Bereitschaftsdienst machte. Die Ärztin hatte bloß achselzuckend gelächelt und gesagt: »Man tut es eben. Manchmal erscheint es einem unmöglich, aber irgendwie funktioniert es dann doch.«
Und nun, genau einen Tag vor ihrem dreißigsten Geburtstag, lag Emmy mit gespreizten Beinen auf dem Untersuchungsstuhl,
fest entschlossen, ein weiteres Mal erfreuliche Nachrichten zu vernehmen. »Erzählen Sie mir etwas über Ihre Durchschnittspatientin«, forderte sie Dr. Kim auf, ohne groß von deren gummibehandschuhtem Finger in sich Notiz zu nehmen. Sie spürte das leichte Zwicken beim Abstrich und hielt den Atem an, um nicht zu zucken.
»Emmy! Die Geschichte kennen Sie doch mittlerweile im Schlaf. Ich habe sie Ihnen schon hundertmal erzählt.«
»Was schadet es, sie noch mal zu hören.«
Dr. Kim zog den Finger heraus und streifte den Handschuh ab. Sie seufzte erneut. »In meiner Praxis hier habe ich etwa zweihundertfünfzig Patientinnen, mit einem Durchschnittsalter von vierunddreißig für Erstgebärende. Was natürlich bedeutet, dass -«
»Ein ganzer Haufen davon sogar noch älter ist«, führte Emmy den Satz zu Ende.
»Exakt. Und auch wenn dies natürlich nicht als repräsentativ gelten kann - Sie müssen sich immer vor Augen halten, dass wir uns in der Upper East Side befinden und diese Statistik vermutlich nur hier Gültigkeit hat; die Schwangerschaften verlaufen überwiegend komplikationslos.«
»Also keine schwangeren Patientinnen unter dreißig?«, bohrte Emmy nach.
Dr. Kim band Emmys Untersuchungskittel auf und begann, mit festen, kreisförmigen Bewegungen ihre linke Brust abzutasten, wobei sie, offensichtlich voll konzentriert, starr auf die Wand blickte. Nachdem sie mit beiden Seiten fertig war, zog sie den Kittel wieder zu und legte Emmy eine Hand auf den Arm.
»Nur ein paar«, sagte sie mit besorgtem Blick.
»Ein paar! Beim letzten Mal sagten Sie noch ›so gut wie keine‹.«
»Nur die blutjungen Frauen einiger Mormonenärzte aus Utah, die im Turnus ihren Dienst im Mt.-Sinai-Krankenhaus ableisten.«
Emmy seufzte erleichtert auf.
»Sind Sie weiterhin zufrieden mit Ihrer Pille?«, fragte Dr. Kim und trug etwas in Emmys Patientenakte ein.
»Sie ist okay.« Achselzuckend setzte Emmy sich auf. »Wirkt jedenfalls einwandfrei.«
Dr. Kim lachte. »Das ist ja auch der Sinn der Sache, oder? Ich lasse Ihnen vorn am Tresen ein neues Rezept für sechs Monate ausstellen, okay? Ihre
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