Ein Ring von Tiffany - Roman
Wenn sie so lange schon den Verdacht hegte, dass irgendwas nicht stimmte, dann musste es ihm doch ebenso ergangen sein. Sie musste ihm nur die Chance geben, es auszusprechen.
Er holte tief Luft, griff nach ihrer Hand und lächelte sie an. »Aber natürlich liebe ich dich so sehr, Leigh. Deshalb habe ich dich doch gefragt, ob du mich heiraten willst. Du bist meine Partnerin, meine Verlobte, meine Liebste. So wie ich dein Partner, dein Verlobter und dein Liebster bin. Ich weiß, es kann einem manchmal unheimlich dabei werden, wenn man erkennt, dass man so einen Glückstreffer gelandet hat, aber das ist ganz normal, meine Süße. Und das hat dir jetzt die ganze Zeit so zugesetzt? Dass du einfach ein bisschen kalte Füße bekommen hast? Mein armes Kleines, tut mir leid, dass du das so lange in dich hineingefressen hast.«
Er wollte sie wieder umarmen, doch diesmal stieß Leigh ihn weg. Dass er partout nicht hören wollte, was sie wirklich zu sagen hatte, machte sie wütend: War es denn tatsächlich so ein Unding zu begreifen, dass sie ihn möglicherweise nicht heiraten wollte?
»Russell, du hörst mir nicht zu. Ich liebe dich, das weißt du, aber ich frage mich ständig, ob es bei uns eigentlich nur wegen der ganzen Begleitumstände so schnell gegangen ist, verstehst du? Du lernst in diesem gewissen Alter jemanden kennen, und er oder sie erfüllt alle Kriterien, ist intelligent und erfolgreich
und attraktiv, und alle anderen heiraten, und jeder fragt dich, wann du denn nun vor Anker gehst. Und so nimmt das Ganze allmählich Fahrt auf. Was mit fünfundzwanzig vielleicht eine tolle, lustige, langjährige Beziehung gewesen wäre, gewinnt mit dreißig oder zweiunddreißig plötzlich eine völlig neue Bedeutung. Und im Handumdrehen bist du verlobt und legst dich lebenslänglich auf jemanden fest, den du nicht zwangsläufig durch und durch kennst. Weil es ›an der Zeit ist‹, was immer das heißt. Ach Gott, ich weiß nicht, wie ich’s besser sagen könnte...«
Russells Blick, eben noch so lieb und einfühlsam, wurde hart. »Ich finde eigentlich, du sagst es sehr klar und deutlich.«
»Dann verstehst du also irgendwie, was ich meine?«
»Du meinst, dass du das Ganze hier schon seit geraumer Zeit nicht mehr okay findest, aber nie den Mut hattest, es mir mitzuteilen.«
Am liebsten hätte sie Russell jetzt die ganze Wahrheit gesagt, ihm alles von Jesse erzählt und wie glücklich und locker sie sich fühlte, wenn sie bei ihm war, wie diese eine Liebesnacht sich ihr tiefer ins Gedächtnis gegraben hatte als die achtzehn Monate mit Russell.
Sie war kurz davor, mit all dem herauszuplatzen, konnte sich glücklicherweise aber noch rechtzeitig stoppen. Was hatte es für einen Sinn, ihm von Jesse zu erzählen? War Russell damit wirklich gedient? Er würde ihren Rückzieher nicht ganz so persönlich nehmen müssen, wenn er alle Energie darauf richten konnte, Leigh für ihren Fehltritt zu hassen. Das fühlte sich auch nicht richtig an. Warum sollte sie ihn unnötig verletzen? Aber war es nicht doch verkehrt, ihm nichts davon zu sagen, wo es doch immer hieß, man solle unter allen Umständen ehrlich und offen sein? In ihrer Verwirrung und Erschöpfung kam sie zu dem weisen Entschluss, es für sich zu behalten. Nach seinem Blick und der Eiseskälte seiner letzten Worte zu urteilen, hatte Russell kein Interesse daran, die Unterhaltung noch länger fortzusetzen. Warum alles noch schwerer machen?
Zu ihrer Überraschung umfasste er plötzlich ihr Gesicht und blickte ihr tief in die Augen.
»Hör zu, Leigh, ich bin mir sicher, du hast einfach nur kalte Füße bekommen, was ganz normal und natürlich ist. Wie wär’s, wenn du dir ein bisschen Zeit für dich selbst gönnst, also, allein, so wie du es vorgeschlagen hast, und denkst über alles nach? Durchdenkst das Ganze.«
Leigh seufzte innerlich. Sein flehentlicher Blick war fast noch schwerer auszuhalten als sein Zorn. »Russ, ich, äh... ich -« Los, sag es , befahl sie sich, reiß das Pflaster schnell von der Wunde. »Ich fürchte, damit würden wir das Unvermeidliche nur hinauszögern. Ich denke, wir sollten jetzt ein Ende machen.«
Völlig richtig. Es hatte keinen Sinn - absolut keinen Sinn -, das alles noch länger hinauszuzögern, ganz gleich, wie viel weniger angsteinflößend es wäre, diesen unangenehmen Moment weiter aufzuschieben. Sie hatte nicht den Schatten eines Zweifels, dass es ein für alle Mal vorbei war, aber die Worte aus ihrem Mund zu hören, versetzte ihr
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