Ein Ring von Tiffany - Roman
wirbelten nur so durch ihren Kopf. Er rief an, um ihr zum Geburtstag zu gratulieren... das hieß, er erinnerte sich an ihren Geburtstag... das hieß, er dachte an sie... das hieß, er dachte vielleicht nicht mehr unbedingt an die Cheerleaderin... es sei denn, o Gott, er rief an, um ihr Neuigkeiten mitzuteilen... Neuigkeiten, die nur und ausschließlich mit der Cheerleaderin zu tun hatten... Neuigkeiten, die sie nicht hören wollte, weder heute Abend noch sonst irgendwann.
Beinahe hätte sie reflexartig aufgelegt, aber etwas zwang sie, den Hörer weiter ans Ohr zu halten. Wenn sie nicht bald irgendwas
sagte, würde sie ihn am Ende noch fragen, ob er sich verlobt hatte, darum fragte sie ihn - ein reines Verteidigungsmanöver - das Erste, was ihr in den Sinn kam.
»Seit wann hast du bei deiner Nummer die Anruferkennung unterdrückt?«
Er lachte. Sein amüsiertes Duncan-Lachen. »Da haben wir seit Monaten kein Wort mehr miteinander geredet, und das ist alles, was dir einfällt?«
»Hattest du auf etwas anderes gehofft?«
»Nein, ich glaube nicht. Hör zu, ich weiß, dass du noch nicht lange zu Hause bist und so, aber ich möchte gern auf einen Sprung raufkommen?«
»Raufkommen? Zu mir in die Wohnung? Du bist hier?«
»Ja, ich, äh, bin schon eine Weile hier, in dem Kopierladen gegenüber, und hab auf dich gewartet. So langsam gucken die mich hier ein bisschen komisch an, deshalb wär es toll, wenn ich auf eine Minute reinschauen könnte.«
»Das heißt, du hast bloß dagesessen und meine Wohnung beobachtet?« Verrückt, wie man etwas gleichzeitig unheimlich und schmeichelhaft finden konnte.
Duncan lachte wieder. »Ja, also, ich hab vorher schon ein paarmal angerufen, aber du hast nicht abgehoben. Ich bleibe auch nicht lang, versprochen. Ich will nur von Angesicht zu Angesicht mit dir reden.«
Er war also verlobt. Dieses Arschloch! Vermutlich fand er sich besonders edel, weil er den ganzen Weg hierher auf sich genommen hatte, um es ihr persönlich zu sagen. Und das am Vorabend ihres Geburtstags, den er, jede Wette, vollständig vergessen hatte. Von ihr aus konnte er sich sein Gespräch von Angesicht zu Angesicht sonstwohin stecken, und das teilte sie ihm auch unverzüglich mit.
»Emmy, warte, leg nicht auf. Es ist nicht, was du denkst. Ich wollte nur -«
»Mir steht’s bis hier, mir anzuhören, was du willst oder nicht
willst, Duncan. Ehrlich gesagt gefällt mir mein Leben ohne dich tausendmal besser, darum schlage ich vor, du gehst jetzt schön nach Hause zu deiner kleinen Puschelfreundin und machst sie zur Schnecke. Denn damit du’s weißt: Ich habe kein Interesse.«
Sie knallte den Hörer auf und empfand eine ungeheure Genugtuung, die im nächsten Moment von ungeheurer Panik abgelöst wurde. Was hatte sie da nur getan?
Keine Minute später klopfte es an der Tür.
»Emmy? Ich weiß, dass du da bist. Kannst du bitte aufmachen? Nur für eine Minute, versprochen.«
Eigentlich hätte sie stinksauer sein müssen, dass er mit dem Schlüssel, den er ihr nie zurückgegeben hatte, ins Haus gekommen war, aber andererseits plagte sie die Neugier: Was konnte denn so wichtig sein, dass Duncan - Mr. Mir-doch-Egal in Person - sich derart hartnäckig an ihre Fersen heftete? Außerdem spürte sie eine gewisse Erleichterung; der Duncan, den sie kannte, würde sich nie im Leben so abstrampeln, nur um seine Verlobung bekanntzugeben.
Noch immer in ihren Fellpantoffeln öffnete Emmy die Tür und lehnte sich dagegen. »Was?«, fragte sie ohne Begrüßungslächeln. »Was ist so wichtig?«
Von den fünf Treppen außer Atem, allerdings deutlich weniger als früher - soll heißen, die drei oder vier Male in fünf Jahren, die er sich zu ihr hinaufbemüht hatte -, sah er insgesamt ziemlich gut aus, wobei Emmy vermutete, dass die positiven Veränderungen (keine Schwabbelbacken mehr, nicht mehr so totenbleich, Superhaarschnitt, der die kleine kahle Stelle verdeckte) nicht seiner Initiative, sondern den harten Anstrengungen der Cheerleaderin zu verdanken waren.
»Darf ich reinkommen?«, fragte er mit einem Lächeln aus seiner Trickkiste - einem halb aufreizenden, halb gelangweilten Grinsen.
Emmy trat einen Schritt zurück und wies mit gleichgültiger Miene Richtung Wohnzimmer.
Als sie die Tür wieder zugemacht und das Sicherheitsschloss vorgelegt hatte, drehte sie sich zu Duncan um, der sie anerkennend musterte. Eigentlich fast schon hingerissen. Und womöglich zum allerersten Mal fühlte sie sich in seiner Gegenwart nicht
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