Ein Ring von Tiffany - Roman
und vielleicht manchmal fernsehen will, wenn du keine Lust dazu hast? Du hast dir das doch gründlich überlegt?«
Leigh seufzte. »Ich weiß. In der Theorie klingt das alles gut und schön, aber in der Praxis? Ich bin das Alleinleben so gewöhnt. Und ich lebe gern allein. Immer dieser Krach, und ständig liegt irgendwo irgendwas rum, und dauernd muss man sich unterhalten, obwohl man viel lieber auf dem Sofa liegen und chillen würde. Das ist mir einfach nicht geheuer.«
Emmy war froh, dass Leigh wenigstens ihre Angst vor dem Zusammenleben zugeben konnte, und fuhr etwas behutsamer fort: »Ich weiß ja. Vor dem Heiraten hat jeder Panik. Denk bloß mal an Duncan und mich. Wir waren fünf Jahre zusammen, ohne dass offiziell überhaupt etwas aus uns geworden ist. Aber du liebst ihn, und er liebt dich, und zusammen findet ihr schon eine Lösung. Wie komme ich dazu, dir gute Ratschläge zu geben? Und wenn du lieber warten willst, bis du die Heiratsurkunde in der Tasche hast …«
»Ich liebe ihn nicht, Emmy.« Obwohl Leigh mit fester Stimme sprach und die Verbindung kristallklar war, glaubte Emmy, sich verhört zu haben.
»Was hast du gesagt? Man versteht hier sein eigenes Wort nicht.«
Leigh schwieg.
»Leigh? Bist du noch dran? Was hast du da gerade gesagt?«
»Zwing mich nicht, es zu wiederholen«, flüsterte Leigh heiser.
»Um Gottes willen, was soll das denn heißen? Ihr macht doch immer so einen glücklichen Eindruck. Du hast noch nie ein böses Wort über Russell verloren und uns nur davon vorgeschwärmt, wie lieb und freundlich und rücksichtsvoll er ist«, sagte Emmy beschwörend.
»Das ändert alles nichts daran, dass ich mich mit ihm manchmal so langweile, dass mir die Tränen kommen. So ist es nun mal, ich kann nichts dagegen machen. Wir haben keinerlei Gemeinsamkeiten! Er liebt seinen Sport, ich liebe meine Bücher. Er will ausgehen und netzwerken und Leute kennenlernen, und ich will nur zu Hause sitzen und mich verkriechen. Er interessiert sich kein bisschen für das aktuelle Tagesgeschehen oder für Kunst - nur für Football, Krafttraining, Ernährung, Statistiken und seine alte Collegeverletzung. Ich bestreite ja gar nicht, dass er ein wunderbarer Mann ist, Em. Ich bin mir nur einfach nicht sicher, ob er für mich der Richtige ist.«
Emmy hielt sich normalerweise viel auf ihre weibliche Intuition zugute, aber diese Beichte hatte sie nicht im Traum kommen sehen. Das sind die Nerven , dachte sie. Leigh konnte einfach nicht zugeben, dass sie einen tollen Mann verdient - und auch tatsächlich gefunden hatte. Jeder wusste, dass sich heiße Affären und glühende Leidenschaften nach ein paar Monaten oder spätestens einem Jahr abkühlten. Deshalb kam es ja gerade darauf an, dass man jemanden fand, der auf lange Sicht der geeignete Partner war. Jemanden, der einem treu zur Seite stehen
und einen guten Ehemann und Vater abgeben würde. Und wenn das nicht auf Russell zutraf, auf wen dann? Aber während sie ihrer Freundin genau das zu erklären versuchte, wurde sie von dem mürrischen Hotelangestellten mit einem rüden Klaps auf die Schulter unterbrochen. »Madame? Entfernen Sie bitte Ihre Schuhe vom Mobiliar.«
»Wer ist das?«, fragte Leigh.
»Wie bitte?« Emmy blickte eingeschüchtert zu ihm auf, doch schon im nächsten Augenblick wich dieses Gefühl einer unendlichen Gereiztheit.
»Ich habe Sie gebeten, gütigst Ihre Schuhe von dem Sessel zu nehmen. So sitzt man bei uns nicht!« Der Mann stand wie angewachsen vor ihr.
»Was ist bei dir los, Em? Mit wem redest du da?«
Emmy, die normalerweise jeder Konfrontation aus dem Weg ging, geriet in Rage.
»Hab’ ich Sie gerade richtig verstanden? So sitzt man bei uns nicht?«
Leigh lachte. »Gib ihm Saures.«
Emmy sprach laut ins Handy. »Ich sitze in der Lounge, weil es in meinem Zimmer zu finster zum Lesen ist. Sonst hab ich mir nichts zuschulden kommen lassen. Ich sitze. Aber ich habe ein Bein untergeschlagen. Und willst du wissen, was das für Schuhe sind, die ich hier überall auf das Mobiliar pflanze? Ballettschuhe. Nicht etwa Ballerinas, sondern echte Ballettschuhe. Ich bin Gast in diesem Haus, und dieser Mensch besitzt die Unverschämtheit, mich zurechtzuweisen wie ein kleines Kind?« Sie schoss noch einen giftigen Blick nach oben ab, worauf der Mann den Kopf schüttelte, wie um zu sagen »amerikanische Banausin«, auf dem Absatz kehrtmachte - genauer gesagt beschrieb er eine Pirouette - und verschwand.
»Die französische Gastfreundschaft ist
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