Ein Ring von Tiffany - Roman
-, aber in diesem Hotel hat es nur einen Tag gedauert, bis ich mir wie ein ungehobeltes Trampeltier vorkam.«
Emmy lachte. Dass Paul als Kandidat nicht in Frage kam, hatte sie schon fast vergessen. Und das auch nur als Bettkandidat, im Rahmen der Spielregeln. Denn nach nicht einmal vier Minuten stand für sie fest, dass er den perfekten Ehemann abgeben würde. Aber nein! Nein, verdammt. In diese Falle würde sie nicht noch einmal gehen. Sex fein, Beziehung nein. Diese
vier kleinen Worte betete sie sich immer wieder vor, während vor ihrem inneren Auge verführerische Bilder vorbeitanzten: Bilder von ihrem Traumhochzeitskleid, einem Modell von Monique Lhuillier (ärmel-, aber nicht trägerlos, bodenlang und mit einer schlank machenden altrosa Schärpe um die Taille), Bilder von dem perfekten Hochzeitsmahl (Salat aus wilden Tomaten mit Zitrusdressing, gefolgt von gegrilltem Ahi-Thunfisch oder einem Steak vom Matsuzake-Rind).
»Dann befinde ich mich ja in bester Gesellschaft.« Emmy trank ihren Kaffee aus und schleckte den Löffel ab. »Warum sind Sie und Ihre Familie so viel herumgekommen?«
»Jetzt erwarten Sie bestimmt, dass ich ein Armykid oder ein Diplomatensprössling bin. Es gibt mehrere Gründe. Meine Eltern haben eine große Scheu davor, irgendwo Wurzeln zu schlagen, und sie sind beide Schriftsteller. Deshalb sind wir ständig um die Welt vagabundiert. Ich bin beispielsweise in Argentinien geboren.«
Emmy hatte die Bedeutung dieser Eröffnung in Sekundenschnelle erfasst. »Dann sind Sie also Argentinier?«
Paul lachte. »Unter anderem.«
»Unter anderem?«
»Weil ich in Argentinien geboren wurde, bin ich tatsächlich Argentinier. Meine Eltern arbeiteten damals beide an irgendwelchen Büchern, und wir haben dann - mal mehr, mal weniger - noch ein paar Jahre dort gelebt, bevor wir nach Bali umgesiedelt sind. Mein Vater ist Engländer, deshalb besitze ich automatisch auch die britische Staatsangehörigkeit, und meine Mutter ist Französin, aber die französischen Nationalitätengesetze sind - genau wie der Service in den Hotels - ein bisschen heikel. Darum habe ich mich noch nie darum beworben. Das mag vielleicht alles interessant klingen, aber Sie können mir glauben, es ist ein einziges Durcheinander.«
»Aber Sie hören sich so … so amerikanisch an.«
»Ja, ich weiß. Ich habe immer amerikanische Schulen besucht,
ganz egal, in welchem Land wir gerade waren. Und ich habe in Chicago studiert. Meinen Vater macht es richtig fertig, dass ich mich wie ein echter Ami anhöre.«
Emmy nickte nachdenklich, beziehungsweise: Sie prägte sich alles ganz genau ein, damit in der späteren Triumphmail an die Mädels auch ja kein Detail fehlte.
»Hätten Sie vielleicht Lust, etwas mit mir zu trinken?«, fragte Paul. »Nachdem Sie mir jetzt so lange zugehört haben, könnten Sie bestimmt einen Drink vertragen.«
»Woran hatten Sie gedacht?« Sie klimperte mit den Wimpern und beugte sich nah zu ihm hinüber. Sex fein, Beziehung nein .
Er lachte. »Nichts allzu Starkes. Auf Kaffee passt vielleicht Wein nicht schlecht?«
Sie leerten gemeinsam eine Flasche Rotwein. Er war samtig schwer und so tanninhaltig, dass sich Emmys Mund zusammenzog. Es musste ein Bordeaux sein, auch wenn sie heutzutage den Jahrgang nicht mehr hätte bestimmen können, so wie damals, als sie sechs Monate durch Frankreich gereist war, um in verschiedenen Restaurants zu jobben und Weinkellereien zu besichtigen. Bordeaux war noch nie ihr Lieblingswein gewesen, aber heute Abend schmeckte er ihr vorzüglich. Sie unterhielten sich so angeregt, dass der ersten bald die zweite Flasche folgte. Und während der ganzen Zeit dachte Emmy höchstens ein einziges kleines Mal an ihre bevorstehende Hochzeitsreise (eine Villa am Meer auf Bora-Bora mit einem nach allen Seiten offenen Schlafpavillon und einem Privatpool oder eine afrikanische Luxussafari, wo sie sich unter Moskitonetzen liebten, bevor sie ihr Fahrer in einem imposanten schwarzen Range Rover an Elefanten und Löwen vorbeichauffierte). Alles ließ sich sehr verheißungsvoll an, bis Emmy ihm - vollkommen unverfänglich, wie sie hoffte - die Frage stellte, ob er Kinder mochte.
Er hob ruckartig den Kopf. »Kinder? Wieso Kinder?«
Anscheinend war sie doch nicht so raffiniert, wie sie gedacht
hatte. Wahrscheinlich trübte der Wein ihr Urteilsvermögen. Eigentlich hatte sie sich zuerst ganz unschuldig erkundigen wollen, ob er nicht Neffen und Nichten hatte, und dann geschmeidig zu dem Thema überleiten,
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