Ein Rückblick aus dem Jahr 2000
nachstehen; sie haben Häuser auf dem Lande, im Gebirge und an der Seeküste, wo sich ihre Mitglieder während der Ferien erholen und ihrem Vergnügen nachgehen.“
Anmerkung. Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts kam es nicht selten vor, daß an manchen Universitäten der Vereinigten Staaten arme Studenten während der langen Sommerferien Stellung als Hotelkellner annahmen, um dadurch Mittel zur Fortsetzung ihrer Studien zu erwerben. Den Vorurteilen der Zeit entsprechend behaupteten manche, daß Leute, die freiwillig die Beschäftigung als Kellner wählten, keine Gentlemen sein könnten. Dieser Ansicht entgegen ward geltend gemacht, daß die Studenten Lob verdienten, weil sie durch ihr Beispiel für die Würde jeder ehrlichen und notwendigen Arbeit in die Schranken träten. Diese Schlußfolgerung beweist eine gewisse Gedankenverwirrung, die unter meinen ehemaligen Zeitgenossen herrschte. Der Beruf eines Kellners war ebenso berechtigt wie die meisten anderen Beschäftigungen, durch die man damals seinen Lebensunterhalt erwarb. Verkehrt war es jedoch, unter der damals herrschenden Gesellschaftsordnung von einer Würde der Arbeit zu reden. Seine Arbeit für den höchstmöglichen Preis verkaufen, ist nicht mehr und nicht weniger würdevoll, als seine Waren für den höchstmöglichen Preis verkaufen. Das eine wie das andere ist ein bloßer Handel, der lediglich vom geschäftlichen Standpunkt aus beurteilt werden mußte. Indem der Arbeitende für seine Tätigkeit einen Preis in Geld forderte, ließ er auch das Geld zum Maßstab seiner Tätigkeit werden und verzichtete auf sein gutes Recht, sie nach einem anderen Maßstab abgeschätzt zu sehen. Die feinfühligen Naturen empfanden schmerzlich, daß dadurch auch auf die höchste und edelste Tätigkeit ein Schmutzflecken fiel, allein das war nicht zu ändern. Wie erhaben auch eine Arbeit sein mochte, die Notwendigkeit, um ihren Marktpreis zu feilschen, kannte keine Ausnahme, Der Arzt mußte seine Heilkunst, der Apostel seine Predigten verkaufen. Der Prophet, der den Willen Gottes geahnt hatte, mußte um den Preis der Offenbarung schachern, und der Dichter war gezwungen, seine Träume auf dem Büchermarkt feilzubieten. Soll ich das Glück nennen, durch das sich dieses neue Zeitalter am meisten von jenem unterscheidet, in dem ich geboren bin? Ich suche es in der Würde, die man der Arbeit jetzt dadurch verliehen hat, daß man nicht länger einen Preis auf sie setzt, daß man sie nicht mehr zur Marktware erniedrigt. Indem man von jedem einzelnen sein Bestes fordert, läßt man nur Gott als den Höherstehenden und Richter gelten. Und dadurch, daß die Ehre der einzige Lohn für tüchtige Leistungen ist, sind alle Arbeiten so ehrenvoll geworden, wie es zu meiner Zeit der Militärdienst war.
15. Kapitel
Bücher und Presse
Auf unserer Wanderung durch das Gebäude gelangten wir auch in die Bibliothek. Wir konnten der Versuchung nicht widerstehen, uns in den luxuriösen Ledersesseln auszuruhen, mit denen sie ausgestattet war. In einer der von Bücherregalen umgebenen Nischen nahmen wir Platz und plauderten {15} .
„Edith erzählte mir“, sagte Frau Leete, „daß Sie den ganzen Vormittag in unserer Bibliothek verbracht haben. Sie können mir glauben, Herr West, daß ich Sie für den beneidenswertesten aller Sterblichen halte.“
„Ich möchte gern wissen, warum?“ antwortete ich.
„Weil Ihnen die Bücher der letzten hundert Jahre neu sind“, versetzte Frau Leete. „Sie werden so viel interessante Werke zu lesen finden, daß Ihnen in den nächsten fünf Jahren kaum Zeit zum Essen bleiben kann. Ach, was würde ich nicht darum geben, wenn ich Berrians Romane noch nicht gelesen hätte!“
„Oder die von Nesmyth, Mutter“, fügte Edith hinzu.
„Gewiß, oder ‚Oates’ Gedichte’, oder ‚Vergangenheit und Gegenwart’, oder ‚Im Anfang’, oder – oh, ich könnte wenigstens ein Dutzend Bücher nennen, von denen ich für jedes ein Jahr meines Lebens geben möchte!“ rief Frau Leete begeistert aus.
„Nach Ihren Worten zu urteilen“, sagte ich, „muß dieses Jahrhundert hochbedeutende literarische Werke hervorgebracht haben.“
„Jawohl“, versetzte Doktor Leete. „Es war ein Zeitalter von beispiellos geistigem Glanze. Wahrscheinlich hat sich nie zuvor in der menschlichen Gesellschaft ein materieller und moralischer Umschwung vollzogen, der so groß in seinem Umfang, so gewaltig in seiner Tragweite gewesen wäre und sich in so kurzer Zeit durchgesetzt
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