Ein Schlag ins Herz
Aufnahmen von den Innenräumen?«
»Für alle Fälle. Es ist gut, das Schiff so gründlich wie möglich zu kennen. Es wäre ein Jammer gewesen, so eine Gelegenheit zu verschenken.«
»Aber …«
»Wenn wir bei Dominik sind, wirst du mir dankbar sein, dann siehst du nämlich, was für Material ich aufgenommen habe.«
»Ich komme nicht mit zu Dominik. Ich fahre morgen nach Hamburg.«
Andrus sah ihn überrascht an.
»Wie kommst du nur dazu, dir einzubilden, dass du in dieser Phase einfach irgendwo hinfährst? Dominik wird garantiert …«
»In persönlichen Angelegenheiten frage ich niemanden um Erlaubnis. Auch Dominik nicht.«
10
Sandrine reichte dem gepflegt gekleideten Angestellten an der Rezeption im Hotel Jaeger Skärgården ihre Kreditkarte und sah sich gespannt um. Hier würden bald die einflussreichsten Personen der westlichen Welt zusammenkommen, um hinter den Kulissen über aktuelle Themen zu diskutieren. Zum letzten Mal hatte die Bilderberg-Konferenz 2001 in Schweden stattgefunden, in Stenungssund, nördlich von Göteborg.
Während der Hotelangestellte ihre Daten notierte, ließ Sandrine den Blick schweifen. Die noble Atmosphäre wurde durch mattdunkle Holzflächen, Kerzenleuchter und den dezent roten Samt der geschwungenen Sofas und Sessel erzeugt. Ihr Vater hätte sich in diesem Hotel wohlgefühlt, dachte Sandrine, während sie sich das Foyer einprägte.
Der etwas muffige großbürgerliche Charme erinnerte sie an das Hotel Mount Nelson in Kapstadt, wo sie im Frühjahr einige glückliche und verheißungsvolle Tage mit Patrik verbracht hatte. Schon damals war er stur und unberechenbar gewesen, das war ihr während ihrer kurzen Beziehung von Anfang an aufgefallen. Patrik konnte wegen der kleinsten Belanglosigkeit wütend werden. Er schien in einer Hülle zu stecken, als wollte er sein Inneres verbergen, damit niemand an ihn herankam. Dabei wurde er von Unruhe getrieben, vom Zwang, ständig in Bewegung zu sein. Er war ein faszinierendes, widersprüchlichesRätsel gewesen, das Sandrine gerne gelöst hätte, um ihm nahezukommen.
Als Patrik jedoch begriff, dass Sandrine versuchte, über seine ehemaligen Kollegen etwas über ihn herauszufinden, war seine Reaktion heftig gewesen. »Niemand agiert hinter meinem Rücken!«, hatte er gezischt.
Vergebens hatte Sandrine versucht, sich zu rechtfertigen; Patrik war plötzlich eiskalt gewesen, voller Argwohn, bis er schließlich nach einem Wortgefecht in seinen Geländewagen sprang und im Dschungel verschwand. Drei Wochen später hatte Sandrine von Patriks neuer deutschen Freundin erfahren.
In ihrem Zimmer angelangt, nahm Sandrine sofort eine kleine Kamera aus ihrer Tasche. Sie trat ans Fenster. Hinter dem Gebäude lag ein üppiger Park, der ans Meeresufer grenzte. Am Steg lagen ein paar Jachten, und Sandrine fotografierte den Anblick.
Anschließend öffnete sie die Tür und fotografierte den Gang in beide Richtungen. Sie ging zur Treppe und fotografierte auch dort.
Vor dem Hotel sah sie einen Range Rover durch das Tor fahren. Er glitt langsam zwischen den üppig belaubten Eichen hindurch, passierte ein modernes Nebengebäude und fuhr dann in einem Bogen an der großen Eingangstreppe vor. Der Geländewagen unterschied sich von den anderen Fahrzeugen auf dem Grundstück vor allem dadurch, dass er über und über mit Schmutz bedeckt war.
Ein großer, braun gebrannter Mann, der sein braungraues Haar mit Gel nach hinten gekämmt und die obersten Knöpfe seines weißen Hemdes offen stehen hatte, stieg aus.
Sandrine war dem misstrauisch wirkenden niederländischen Schlangensammler namens Jochem erst zweimal zuvor begegnet und war ihm gegenüber zurückhaltend,aber sie verließ sich zu hundert Prozent auf Hermans Einschätzung. Er hatte seine besten und leistungsfähigsten Männer für diese Aufgabe ausgesucht.
Herman selbst stieg in einem Rollkragenpulli, der seine Tätowierungen verbarg, an der Beifahrerseite aus, Geir und Jürgen öffneten die beiden hinteren Türen. Alle sahen aus wie Touristen und trugen Freizeitkleidung.
Herman tat so, als hätte er Sandrine nicht bemerkt, und ging zielstrebig zum Kofferraum, dem er gleich darauf große Koffer und Golftaschen entnahm.
Sandrine spürte die Anspannung in sich wachsen. Sie wandte sich ab und machte ein Foto vom Haupteingang.
Im selben Moment erstarrte sie und ließ die Kamera langsam sinken. Jemand schien sie von einem Fenster aus zu beobachten.
»Was macht die für einen Mist?«, schnaubte
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