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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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verhalten.«
    Emmanuel schob seinen Ausweis zurück in die Tasche und lächelte zum Zeichen, dass er es nicht krumm nahm.
    »Der ist in Ordnung, Athol. Lass ihn durch!« Hansie stand in seiner verdreckten Uniform auf der Veranda, seine Wangen leuchteten eierschalenfarben. Dass er seine Autorität so öffentlich zur Schau stellen konnte, gefiel ihm sehr.
    »Hier entlang, Sergeant.« Hansie winkte ihn durch den Garten, der in frühlingshaftem Grün prangte. Eine Treppe führte zur imposanten Eingangstür hinauf. Emmanuel nahm den Hut ab.
    »Ich bin gekommen, um Mrs. Pretorius mein Beileid auszusprechen. Ist die Familie vollzählig?«, fragte Emmanuel.
    »Außer Paul sind alle da.« Hansie machte die Eingangstür auf und geleitete ihn herein. »Mrs. Pretorius und ihre Schwiegertöchter kümmern sich um den Captain. Alle anderen sind draußen auf der hinteren Veranda.«
    Emmanuel betrat hinter Hansie das Haus und sah sich um. Es gab eine kleine Diele, von der aus es zu einer Reihe verschlossener Türen ging, vermutlich den Schlafzimmern. Hansie betrat ein großes Zimmer auf der linken Seite. Es wurde beherrscht von schweren Holzmöbeln der Sorte, die dafür gebaut waren, über Generationen hinweg die Beanspruchung durch unbändige Jungen und lederhäutige Männer auszuhalten. Der polierte Kachelboden sah im gelben Licht der mit Lampenschirmen versehenen Laternen so glatt aus wie Schlangenhaut. Ein riesiges Sideboard quoll über vor Trophäen. An den Wänden hingen gerahmte Fotografien.
    Hansie schenkte der vertrauten Einrichtung keine Beachtung, doch Emmanuel verlangsamte seinen Schritt und betrachtete die Fotos. Vielleicht ließ sich daraus etwas entnehmen. Er sah ein Mädchen mit einem Pferdeschwanz, das im Schnee spielte. Daneben einen sauertöpfisch dreinblickenden Geistlichen, der umringt war von einer Armee ebenso humorloser Kinder. Das nächste Foto zeigte den jungen Captain Pretorius und eine hübsche Frau Anfang zwanzig, die auf einer Parkbank saßen. Dann kam ein Bild, das Emmanuel abrupt innehalten ließ. Da standen im Abendlicht die Pretorius-Jungen im Alter von fünf bis fünfzehn Jahren, Schulter an Schulter in ihren Voortrekker Scout -Uniformen. Die Gesichter und Uniformen glänzten im Schein der lodernden Fackeln, die sie in den Händen hielten. Ihre Augen starrten ihn mit dem Stolz und der Entschlossenheit echter Afrikaander an. Emmanuel musste an Nürnberg denken und an all die rotbäckigen deutschen Jungen, die in die Vernichtung marschiert waren.
    »Das Groot Trek-Fest«, erklärte Hansie. »Der Captain und Mrs. Pretorius haben uns Voortrekker-Scouts nach Pretoria mitgenommen, damit wir dabei sein konnten. Die Fackeln durften wir am Ende in ein riesengroßes Feuer werfen.«
    Emmanuel erinnerte sich noch gut an seinen eigenen Ausflug zu eben diesem Fest. Daran, wie die Flammen auf seinem Gesicht gebrannt hatten, und an das ungute Gefühl, dass er nicht zum Kreis derer gehörte, die von Gott als die Reinen auserwählt worden waren.
    »Ich habe mal darüber in der Zeitung gelesen«, sagte er und ging weiter zum nächsten Foto. Es zeigte Paul in Armeeuniform, groß und stiernackig wie seine Brüder. Daneben hing ein Porträt der Familie Pretorius, nicht älter als ein oder zwei Jahre. Emmanuel nahm den jüngsten Sohn in Augenschein, der feingliedriger war als seine Brüder, mit einem empfindsamen Mund und blonden Wuschelhaaren, die ihm in die Stirn fielen. Zu der Zeit, als sie Louis gezeugt hatten, waren dem Captain und seiner Frau offenbar schon die Muskeln ausgegangen.
    »Ein Engländer ist mit seinem Fotoapparat in die Stadt gekommen, pro Foto hat er ein Pfund genommen. Bei uns zu Hause haben wir auch so eins, da bin ich mit meiner Ma und meinen Schwestern drauf.«
    Sie liefen durch die Küche, wo gerade zwei schwarze Hausmädchen kaltes Fleisch und Brotscheiben auf einen riesengroßen Servierteller luden. Ein drittes Hausmädchen, steinalt und weißhaarig, saß an einem Tischchen und schluchzte stumm vor sich hin.
    »Das ist Aggie«, flüsterte Hansie im Vorbeigehen. »Sie ist schon bei der Familie, seit Henrick ein Säugling war. Jetzt taugt sie nicht mehr viel, aber der Captain wollte sie nicht entlassen.«
    Sie kamen ins Esszimmer. Der alles dominierende Tisch und die Holzstühle hatten etwas von Bayrischem Wald an sich. Große Fenster gingen hinaus auf die weinumrankte hintere Terrasse, wo eine Gruppe älterer Männer, Farmer in Khaki, dichtgedrängt beisammen stand.
    »Die Schwiegerväter«,

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