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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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Schlafzimmer versteckt hatte.
    Zwei Hausmädchen und ein Gartenjunge eilten am Schuppentor vorbei, ohne ihre Schritte zu verlangsamen oder hineinzuschauen. Emmanuel spähte hinaus und sah, wie die drei Gestalten im langsam dunkel werdenden Busch verschwanden.
    »Was ist das da?« Er zeigte auf den Pfad im Gras, über den die Hausdiener gelaufen waren.
    »Ein Kaffernpfad. Die Kaffern benutzen sie, um von hier nach da zu kommen«, erklärte Hansie. »Die Pfade verlaufen durch die ganze Stadt und treffen sich dann in der Nähe der Location. Es geht schneller, als die Hauptstraßen zu benutzen.«
    »Stört das denn niemanden?«
    »Nein«, gab Hansie zurück. »Nach halb neun Uhr abends benutzt keiner mehr die Pfade. Wenn ein Kaffer dabei erwischt wird, dass er zwischen halb neun und dem Morgengrauen hier durchkommt, gibt es mächtigen Ärger.«
    »Nehmen Sie diese Pfade auch schon mal?«
    »Es sind Kaffernpfade! Für Kaffern!« Hansie hatte den Ausdruck eines sprachlosen Idioten aufgesetzt, der einem Geisteskranken die Welt erklären sollte. »Die Farbigen benutzen sie manchmal, aber wir nie.«
    »Woher wissen Sie dann, dass sie nachts nicht benutzt werden?«, fragte Emmanuel.
    »Vom Captain. Der ist drei- oder viermal pro Woche da entlanggelaufen. Manchmal morgens und manchmal abends. Shabalala hat die Pfade in der Nähe der Location in Schuss gehalten.«
    Emmanuel verließ den Pfad und drang tiefer in den Busch ein. Im selben Moment trabte singend ein Grüppchen Hausdiener vorbei, die unbedingt noch vor der Ausgangssperre den weißen Teil der Stadt verlassen wollten. Emmanuel kannte das Lied.
     
    Shosholoza, shosholoza … Kulezontaba …
    Grob übersetzt hieß das: Fahr schneller, du schlenderst ja durch die Berge. Der Zug kommt aus Südafrika. Das Wort shosholoza hörte sich beinahe an wie eine Zugpfeife.
    Der rhythmische Gesang der Diener wehte davon. Emmanuel spürte die afrikanische Nacht warm auf seiner Haut und in seinem Haar. Die Stimmen wurden schwächer und schwächer. Schließlich wandte er sich wieder dem Haus des Captains zu.
    »Wie oft sind Sie und Lieutenant Uys Streife gelaufen?«
    »Immer, wenn der Captain es wollte«, sagte Hansie. »Manchmal sind wir eine Woche lang jeden Abend losgegangen und dann wieder längere Zeit gar nicht. Da gab es keine Regelmäßigkeiten.«
    »Stichprobenartig«, sagte Emmanuel, der die geniale Einfachheit am System des Captains erkannte. Zweigman war sich bewusst gewesen, wie sehr man ihm bei den Patrouillen auf die Finger schaute, und es hatte ihm nicht gefallen. Wie viel hatte der Captain gesehen und gehört, wenn er regelmäßig, aber immer zu anderen Zeiten kreuz und quer durch die Stadt gelaufen war? Hatte er ein Geheimnis entdeckt, für dessen Wahrung jemand bereit gewesen war zu töten?
    Emmanuel trat zurück in den Schuppen und beobachtete Louis, der gerade seine Werkzeuge zusammenpackte. Der Junge schien zwar ganz in seine Arbeit vertieft zu sein, doch seine Schultern wirkten dabei so verspannt, als sei er in Alarmbereitschaft und höchst wachsam.
    »He, Louis!« Das Schuppentor ging auf, und Henrick kam herein. »Mach dich sauber. Es ist Zeit fürs Abendessen, und außerdem braucht Ma dich.«
    »Ja.« Geduckt stahl Louis sich an seinem älteren Bruder vorbei und eilte zum Haus. Emmanuel sah ihm nach, wie er die Treppe hinauf und über die Veranda trippelte wie eine Krabbe, die sich unter einem Felsvorsprung in Sicherheit bringt.
    »Ma wird Sie jetzt empfangen, Detective«, sagte Henrick. »Es geht ihr nicht besonders gut, also machen Sie schnell.«
    »Natürlich«, gab Emmanuel zurück. Diese Henrick-der-Boss-Man-Nummer fing an, ihm auf die Nerven zu gehen.
     
    Das Licht der Lampe schien flackernd auf eine Gruppe junger Frauen in Trauerkleidern, die sich um eine zierliche blonde Frau in einem viel zu großen Sessel versammelt hatte. Emmanuel setzte sich und behielt dabei die Frau im Sessel im Auge. Ihr blasses, gramzerfurchtes Gesicht schien nur noch aus Wangenknochen und einem breiten Mund zu bestehen. Man konnte immer noch einige Spuren der jungen Schönheit entdecken, die einst einen hünenhaften Polizisten geheiratet und fünf Kinder in die Welt gesetzt hatte, um die Reihen der Voortrekker-Scouts und der Niederländisch-Reformierten Kirche zu füllen.
    »Wer ist das?«, fragte sie. Zum ersten Mal spürte Emmanuel ihre blauen Augen auf sich. »Wer ist dieser Mensch?«
    »Ein Detective«, erklärte Henrick ihr von der Tür her. Das Zimmer war jetzt eine

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