Ein schöner Ort zu sterben
Die anderen Brüder mochten Stein sein, aber Louis war Papier.
»Detective Sergeant Emmanuel Cooper«, stellte Emmanuel sich förmlich vor und schüttelte Louis dann die Hand. Der Händedruck des Jungen war erheblich kräftiger, als sein sanftes Aussehen hätte vermuten lassen.
»Detective Sergeant Emmanuel Cooper«, wiederholte Louis, so als wolle er sich den Dienstgrad einprägen. Dann bemerkte er die Ölflecken auf Emmanuels Hand. »Verzeihen Sie, Detective, ich habe Sie schmutzig gemacht.«
»Nicht der Rede wert.« Emmanuel wischte sich die Hände an seinem Taschentuch ab, während Louis sich schon wieder einem Haufen Motorteilen zuwandte, der auf einem alten Teppich ausgebreitet war. Nahe der Hintertür ruhte auf Böcken das restaurierte Chassis eines schwarzen indischen Motorrads.
Louis kniete sich hin und machte sich wieder daran, mit einem Lappen Metallteile zu säubern. Die anstrengenden Bewegungen ließen seinen ganzen Körper erzittern.
»Ich habe den ganzen Tag lang Teile saubergemacht und ganz vergessen …«
»Ja wie?« Hansie hockte sich neben seinen Freund. »Ich dachte, ihr hättet den Motor schon fertig.«
Louis schüttelte den Kopf. »Wir müssen erst noch auf ein Teil aus Jo’burg warten. Kennen Sie sich mit Motoren aus, Detective?«
»Nicht besonders«, antwortete Emmanuel wahrheitsgemäß und sah sich um. Über einem Waffenregal, in dem drei Gewehre mit Zielfernrohr standen, hing ein riesiges Kudu-Geweih. Vor den Gewehren stand ein wunderschöner Zulu-Assagai, der Speer eines Kriegers mit einer Verzurrung aus Löwenhaut. Der Speer stand auf einem Holztisch mit zwei Schubladen.
Auf der linken Seite des Schuppens lagen rund um das indische Motorrad lauter Motorteile und Werkzeuge. An die Wand waren Zeichnungen und Berechnungen geheftet und darüber eine Illustration vom Hersteller, die die zerlegte Maschine in ihren besten Tagen zeigte. Emmanuel bewunderte einen Moment lang die übersichtliche Ordnung im Schuppen, die von einem klaren, systematisch denkenden Kopf zeugte. Die Hintertür wurde von einem Ziegelstein offengehalten, damit die Nachmittagsbrise hereinwehte. Man konnte sich leicht vorstellen, dass der Captain gern hier drin gearbeitet hatte.
»Sie dagegen scheinen sich ja mit Motoren ziemlich auszukennen«, bemerkte Emmanuel, während er über die Metallteile hinwegstieg und sich dem Tisch mit den Jagdutensilien näherte.
»Nein, nein«, wehrte Louis ab. »Pa ist bei uns der Bastler.«
Eine peinliche Stille folgte, gefolgt vom lauten Klirren von Metall auf Metall, als Louis mit zitternden Händen einen Haufen Schraubenschlüssel durchwühlte.
»Komm schon, Louis, die Kiste kriegst du doch selbst hin.« Hansie pumpte seine Stimme voll mit Ermunterung. »Sonst hilft dir eben der farbige Mechaniker, und schon hast du sie am Laufen.«
»Vielleicht«, antwortete Louis kleinlaut und begann, die gesäuberten Schrauben und Muttern auf dem Boden aufzuhäufen. Emmanuel sah ihm einen Augenblick bei seinem zwanghaften Tun zu, dann trat er weiter in den Schuppen hinein. Aus Trauer machten Leute die seltsamsten Sachen. Manche kehrten ihr Innerstes nach außen, andere wurden vollkommen verschlossen.
Eine Prüfung der Waffen ergab, dass sie gereinigt und unbenutzt waren. Im Schreibtisch fand Emmanuel Zeitungsartikel über ländliche Beschäftigungen wie die Kunst der Biltong-Herstellung oder die richtige Pflege von Jagdmessern. Er kniete sich hin und linste in die leere Schublade.
»Suchen Sie nach Schmuddelmagazinen, Detective?«, fragte Louis.
Als Emmanuel aufblickte, traf ihn der wütende Blick des Jungen.
»Vielleicht zeigst du mir ja, wo er sie versteckt hat, Louis«, gab Emmanuel betont lässig zurück. Ihm war klar, dass es ein ziemlich plumper Versuch war, den Burschen aus der Reserve zu locken, aber versuchen konnte man es ja.
Der Junge wurde rot und fing wieder an, die Kiste mit den Schraubenschlüsseln zu durchwühlen. »Nein, weil es nämlich gar keine gibt. Mein Pa war in dieser Hinsicht ganz sauber. Wenn Sie ihn gekannt hätten, wüssten Sie das.«
»Genau.« Hansie warf sich für Louis in die Bresche und bedachte Emmanuel mit einem entrüsteten Blick.
»Ich war nicht derjenige, der mit den Schmuddelmagazinen angefangen hat«, bemerkte Emmanuel. Louis polierte weiter einen Schraubenschlüssel. Hatte der Captain vielleicht doch irgendwo einen Stapel davon versteckt? Oder war Louis eher nervös wegen der eselsohrigen Zeitschrift, die er selbst irgendwo in seinem
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