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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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weibliche Domäne, in die er nicht eindringen wollte. »Detective Cooper ist aus Jo’burg hergekommen, um die Ermittlungen zu leiten. Er wird uns helfen, herauszufinden, wer Pa das angetan hat.«
    Mrs. Pretorius setzte sich auf wie eine wachgewordene Schlafwandlerin. »Was wollen Sie hier? Sie sollten da draußen sein und den verhaften, der diese böse Tat getan hat.«
    »Ich brauche Ihre Hilfe. Ich weiß, es ist schwer, aber es gibt ein paar Dinge über Ihren Mann, die nur Sie mir erzählen können.«
    »Willem …« Es war das erste Mal, dass der Name des Captains ausgesprochen wurde. »Willem ist tot …«
    Verzweifelt heulte die kleine Frau auf, ihr Körper schwankte hin und her wie eine zerbrochene Marionette. Emmanuel blieb ruhig sitzen, atmete tief und gestattete sich die Rolle dessen, der beobachtet, aber ungerührt bleibt. Ungerührt zu bleiben, das war der schwierigste Teil ihrer Arbeit, und er beherrschte ihn perfekt.
    »Schhhh, Ma, schhhhh …« Louis schlich ins Zimmer und kniete sich neben seine Mutter. Er küsste sie auf die Wange, und einen langen Moment lang klammerten sich Mutter und Sohn aneinander. Es gab eine verblüffende Ähnlichkeit zwischen dem jüngsten der Pretorius-Jungen und der zerbrechlichen Frau, die ihn in ihren Armen hielt.
    Louis, der seinen ölverschmierten Overall ausgezogen hatte, fühlte sich in diesem Zimmer voller Frauen offensichtlich wohl. Er war blonder und feingliedriger als seine Schwägerinnen, dralle Landweiber mit der Konstitution, einer Hungersnot im Busch zu trotzen.
    Emmanuel warf einen flüchtigen Blick auf Henrick und bemerkte ein kurzes Aufflackern von Unbehagen. Wie wohl der Captain über seinen Sohn gedacht hatte, der so gar keine Ähnlichkeit mit den starkleibigen Pretorius-Männern besaß?
    »Alles wird gut«, flüsterte Louis. »Ich kümmere mich um dich, Ma. Ich verspreche es.«
    Emmanuel wartete, bis Mutter und Sohn sich voneinander gelöst hatten. Die Schwiegertöchter murmelten ein paar tröstende Worte.
    »Mrs. Pretorius …« Emmanuel war sich darüber im Klaren, dass er im Begriff war, sich unbeliebt zu machen. »Darf ich Sie bitte allein sprechen? Ich habe ein paar Fragen, auf die ich Antworten brauche, und es wäre besser, wenn wir dafür unter uns wären.«
    »Aber nicht Louis!«, verlangte Mrs. Pretorius. »Louis bleibt da!«
    Die Schwiegertöchter funkelten Emmanuel beim Verlassen des Zimmers an, dann gesellten sie sich zu den Familiengrüppchen, die sich auf der hinteren Stoep versammelt hatten. Er wartete, bis das Geräusch ihres Flüsterns verklungen war, dann begann er: »Mrs. Pretorius, wann haben Sie Ihren Mann zum letzten Mal lebend gesehen?«
    Sie griff nach Louis’ Hand. »Gestern morgen. Wir haben zusammen gefrühstückt, dann ist er zur Arbeit los.«
    »Hat Ihr Mann erwähnt, dass er an diesem Tag etwas Ungewöhnliches vorhatte oder jemand Bestimmten treffen wollte?«
    »Nein. Er sagte, dass er nach der Arbeit angeln gehen würde, wir sähen uns dann am Morgen.«
    »Schliefen Sie üblicherweise schon, wenn er vom Angeln nach Hause kam?«
    »Ja. Willem hat dann das Gästezimmer benutzt, um mich nicht zu stören.« Sie umklammerte die Hand ihres Sohnes noch fester. »Ich hatte keine Ahnung, dass er nicht zu Hause war, bis Hansie kam …«
    Sie fing an zu weinen, und Emmanuel merkte, dass Henrick ins Zimmer trat. Emmanuel reckte eine Hand hoch wie ein Verkehrspolizist und spürte förmlich, dass Henrick wie angewurzelt stehenblieb.
    »Fällt Ihnen jemand ein, der Ihrem Mann das angetan haben könnte, Mrs. Pretorius? Alles, was er Ihnen erzählt hat, könnte nützlich sein.« Emmanuel sprach mit leiser, aber eindringlicher Stimme.
    »Komm schon, Ma! Sag dem Detective, was du weißt!«
    Die blonde Frau atmete tief durch. Als sie wieder aufblickte, waren ihre Augen so hart wie ungeschliffene Diamanten.
    »Der alte Jude«, sagte sie rundheraus. »Willem hat erzählt, dass er ihn abends im Viertel der Farbigen hat herumlungern sehen. Der führte etwas im Schilde.«
    »Hat Ihr Mann ihn bei irgendetwas ertappt?« Das hätte Zweigmans Feindseligkeit immerhin erklärt.
    »Nein. Sie wissen doch, wie durchtrieben diese Juden sind. Willem hat ihn nach Sonnenuntergang verschiedene Häuser von farbigen Mädchen betreten und wieder verlassen sehen. Es war offensichtlich, was er vorhatte, also hat Willem ihm eine Warnung gegeben.«
    »Hat er Ihnen erzählt, wie Zweigman reagiert hat?«
    »Ich weiß, dass es ihm nicht gepasst hat. Willem musste ihn

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