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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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nachgeschlagen habe. Allerdings hat Captain Pretorius geglaubt, Sie hätten weit mehr als das getan.«
    »Da hat er sich geirrt«, kam es kurz und bündig. »Ich habe die Damen nach Einbruch der Dunkelheit nach Hause begleitet, weil ein …« – Zweigman suchte verzweifelt nach dem richtigen englischen Wort – »ein Spanner die Gegend unsicher machte. Es war lediglich eine Vorsichtsmaßnahme.«
    »Tatsächlich?«
    »Constable Shabalala, bitte erklären Sie Ihrem Kollegen, dass ich mir den Spanner nicht ausgedacht habe.«
    Shabalala sah auf seine Füße, es war ihm unangenehm, in das Verhör mit hineingezogen zu werden. Schließlich räusperte er sich. »Es gab da jemanden. Der Captain hat nach ihm Ausschau gehalten, hat aber niemanden gefunden.«
    »Niemand wurde verhaftet?«
    »Nein«, antwortete Shabalala.
    »Wenn europäische Frauen belästigt worden wären, hätte man den Mann gefunden«, bemerkte Zweigman. »Irgendwann hörte die Sache auf, und keiner verlor mehr ein Wort darüber.«
    »Hatten Sie denn wenigstens Gelegenheit, die verängstigten Frauen ein wenig zu beruhigen? Emotionen schaukeln sich ja schnell hoch, wenn Angst im Spiel ist.«
    »Ach!« Zweigman hatte seine Fassung wiedergefunden. »Was geht bloß in Ihrem Kopf vor? Immer suchen Sie nach dem schmutzigen Geheimnis. Ich wiederhole: Ich ficke, wie Sie es so liebenswürdig auszudrücken beliebten, keine der Frauen, die bei meiner Frau beschäftigt sind, und habe es auch nie getan.«
    »Captain Pretorius ist dieses Jahr ein paar Mal bei Ihnen aufgekreuzt. Weswegen?«
    »Um mir Ratschläge zu erteilen. Lassen Sie sich nach Einbruch der Dunkelheit mit keiner Frau außer Ihrer eigenen blicken! Gehen Sie mit Ihren Angestellten nicht zu freundschaftlich um! Gehen Sie nicht zu irgendwelchen Treffen von Farbigen oder Schwarzen! Vergessen Sie nicht, dass Sie ein Weißer sind und nicht zu denen gehören! Soll ich fortfahren?«
    »Sie mochten ihn nicht.«
    »Das ist richtig.«
    »Haben Sie ihn umgebracht?«
    »Nein.« Zweigman nahm seine Brille ab und polierte sie an einem Hemdzipfel. »Ich besitze keine Waffe und weiß auch nicht, wie man sie benutzt. Anton, der Mechaniker von gegenüber, und meine Frau Lilliana können Ihnen beide bestätigen, dass ich bis nach zehn Uhr abends hier im Laden war und – allerdings erfolglos – versucht habe, die Bücher in Ordnung zu bringen.«
    Emmanuel notierte sich die Zeugen. Er hatte keinen Zweifel, dass die beiden Zweigman mit erstklassigen Alibis ausstatten würden. Zwei Verdächtige, und beide hatten für die Zeit, in der man den Captain erschossen hatte, Entlastungszeugen. Schon nach dem ersten vollen Tag seiner Ermittlungen konnte er seine ohnehin dürftige Liste wegwerfen. Ab sofort würde er mit Hansie von Haus zu Haus gehen. Es wurde Zeit, dass er ein paar Steine umdrehte und schaute, welche Spinnen darunter hervorgekrochen kamen.
     
    Aufrecht und mit aufgerissenem Mund saß Emmanuel im Bett und rang nach Luft. Dunkelheit umgab ihn, und auf seiner Stirn perlte Schweiß. Tief in seinen Eingeweiden spürte er das vertraute Grimmen der Angst. Mit einer Hand fuhr er über seinen Körper und suchte ihn nach Verletzungen ab. Die Schusswunde an seiner Schulter war schon lange verheilt, und der Riss auf seiner Wange, den Donnys Mädchen ihm in ihrem geisteskranken Blitzkrieg beigebracht hatten, war nicht mehr als ein Kratzer. Kein Messer und kein Blut.
    Er schwang sich über den Bettrand. Der Traum kam und ging, aber diese Frau war noch nie darin vorgekommen. Sie war neu. Er hatte keine Ahnung, wer sie war. In dem Keller aus seinem Traum war es immer dunkel. Alles spielte sich stets nach dem gleichen Muster ab. Sie waren in einer ausgebombten Stadt, und die Wachmannschaft patrouillierte von Haus zu Haus und durchkämmte jedes immer wieder nach Feinden. Irgendwann dann die Routinedurchsuchung eines Weinkellers. Er drehte sich um, wollte gerade gehen, da fuhr ihm das Messer tief ins Fleisch, und er fiel vornüber, hinein in die Finsternis und den Schmerz.
    Das war der Traum, der sich immer wieder gleich abspielte wie in einer Endlosschleife. Jedes Mal, wenn er Hausbefragungen durchführte, kehrten die Erinnerungen aus der Tiefe seines Unterbewusstseins zurück. Mittlerweile war es nicht mehr so schlimm. Er schrie nicht mehr oder tastete nach dem Licht, um in die Wirklichkeit zurückzufinden.
    Emmanuel atmete tief durch, schloss die Augen und beschwor das Bild des Kellers wieder herauf. Überall der Geruch dieser Frau.

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