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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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sind heute Abend aus Lorenzo Marques zurückgekommen. Wir haben gerade im Hinterzimmer Karten gespielt, als wir Sie vorbeirennen hörten.«
    Emmanuel sah sich um und entdeckte zu seiner Linken ein schwach erleuchtetes Fenster. Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Sobald er das Netz der größeren Straßen verließ, besaß er keinerlei Orientierung mehr. Auf den Kaffernpfaden war er derjenige, der draußen war und nach drinnen schaute.
    »Wollen Sie was trinken, Detective?«, bot Tiny höflich an. »Danach zeigt Theo Ihnen den Weg zurück.«
    Wieder eine angespannte Stille, während sie auf Antwort warteten. Unter normalen Umständen brach diese Einladung sämtliche Regeln. Farbige und weiße Polizisten waren üblicherweise keine Saufkumpane.
    »In Ordnung«, sagte Emmanuel. Er würde ohnehin nicht so bald einschlafen können, und im Bett warteten nur seine Träume auf ihn. »Da werde ich wenigstens den Staub in meiner Kehle los.«
    »Der Schnapsladen gehört mir«, brüstete sich Tiny, während sie auf das Licht zugingen. »Ich habe genug da, um den Staub nicht nur aus Ihrer Kehle, sondern auch noch aus Ihrem Magen zu spülen. Gerade habe ich eine neue Ladung aus Mosambik gekriegt. Portwein, Whisky, Gin. Was immer Sie wollen.«
    »Haben Sie das Zeug durch den Grenzposten gebracht oder durch den Fluss?«
    »Ich mache alles legal. Der Captain hat das gewusst, deshalb hatte ich auch nie Schwierigkeiten. Ein, zwei Flaschen für die Grenzer, mal ein Fass Bier für die Polizeiwache. Ich sorge dafür, das jeder seinen Anteil kriegt.«
    Tiny drückte ein Holzgatter auf und führte die Männer in einen schmalen Hof hinter dem Schnapsladen. In den Dachsparren eines Anbaus hingen an Haken über der Hintertür drei Kerosinfunzeln.
    »Na schön, mein Anteil ist ein Glas Whisky.« Emmanuel warf einen Blick auf den Kartentisch, der in der Mitte des Anbaus stand. »Was spielen Sie?«
    »Poker.« Theo goss einen dreifachen Whisky in ein sauberes Glas und schob es über den Tisch. »Spielen Sie auch?«
    »Früher mal«, sagte Emmanuel. »Wo ist der vierte Mann?«
    »Harry!«, rief Theo in eine dunkle Ecke hinein. »Kannst wieder rauskommen. Es ist nur der Detective aus Jo’burg.«
    Ein schmalbrüstiger Mann mit einem gewichsten Schnurrbart schlurfte aus der Ecke heraus und stahl sich auf den freien Stuhl. Sein dürres Gerippe ächzte schier unter einem schweren Feldmantel, an den Verdienstorden und ausgebleichte Ordensbänder aus dem Ersten Weltkrieg geheftet waren.
    Emmanuel setzte sich in den Stuhl neben dem alten Soldaten, den man im Hinterhof des Empires abgeladen hatte, ausgestattet mit einem warmen Mantel, der die Erinnerungen an das Gas und die Schüsse abhalten sollte. Mich hätte es auch erwischen können, dachte Emmanuel.
    »Mach dir keine Gedanken, Harry«, sagte Anton freundlich. »Es ist erst kurz nach Mitternacht. Du hast noch eine Stunde, bevor es Ärger gibt. Ich sehe zu, dass du pünktlich wieder zu Hause bist.«
    »Harry ist mit Angie verheiratet, die für den alten Juden arbeitet«, erklärte Theo. »Sie ist sehr streng mit dem armen Kerl. Nicht wahr, Harry?«
    »Hart, ganz hart«, murmelte der furchtsame Mann wie zu sich selbst. »Hart gegen alles und jeden.«
    Emmanuel erinnerte sich an Angie. Schon älter und ohne Sinn für Humor, so hatte er sie sich gemerkt. Voll ins Schwarze getroffen, wie sich jetzt herausstellte.
    »Machen Sie mit, Detective?«, fragte Anton.
    Emmanuel nahm einen kräftigen Schluck Whisky. Hierzubleiben war töricht. Wenn die Weißen das herausbekamen, würde es sie befremden und die Ermittlungen schwieriger machen, als sie sein mussten.
    »Geben Sie!«, sagte er. »Worum wird gespielt?«
    »Um fünf Streichhölzer«, informierte ihn Tiny in aller Ernsthaftigkeit. »Können Sie sich das auch leisten? Wie man hört, wird die Polizei dieser Tage nicht mehr so gut bezahlt?«
    »Da komme ich noch drüber weg«, antwortete Emmanuel ebenso feierlich. »Aber jemand muss mir was vorstrecken. Ich habe nichts dabei.«
    Theo schob ihm die Streichhölzer herüber. »Mensch, Sie sehen vielleicht aus. Wie ein Tsotsi. Wo sind Sie denn reingeraten?«
    »Das sind nur die Kratzer von meinem kleinen Abendspaziergang. Und die Schusswunde aus dem Krieg.«
    »Mein Großvater war Deutscher«, sagte Tiny und goss nach. »Aus Düsseldorf, hat er behauptet.«
    »Meiner auch«, brummelte Harry, »meiner auch.«
    »Nein, mein Junge«, klärte Theo ihn auf. »Dein Großvater war ein schottischer Prediger, der

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