Ein schöner Ort zu sterben
gesoffen hat wie ein Loch. Frag Granny Mariah, die kann dir alles erzählen.«
»Aus was für einem Stall kommt unser Freund eigentlich?«
Es dauerte einen Moment, bis Emmanuel begriff, dass die Frage an ihn gerichtet war. Bevor er antwortete, nahm er einen ordentlichen Schluck aus seinem Glas. An diesem Tisch schämte sich niemand, ein Produkt des Empires zu sein: eine widerstandsfähige Promenadenmischung.
»Mutter Engländerin, Vater Afrikaander.« Er wusste selbst nicht, warum er die Wahrheit sagte. Es kam nicht oft vor, dass er über seine Eltern sprach, und in den letzten vier Jahren hatte er es auf van Niekerks Anweisung hin überhaupt nicht mehr getan. Seine Eltern gehörten zu dem, was er tief in seinem Innern verborgen hielt.
»Ach«, rief Anton aus und legte theatralisch seine Karten hin. »Dann sind Sie ja auch so ein Mischling wie wir. Sieh mal einer an.«
Das Gelächter war locker und entspannt, befördert vom Whisky und der späten Stunde. Südafrika mit all seinen Gesetzen, jedes drakonischer als das vorherige, war noch lange nicht so weit wie der Hinterhof von Hanson’s Fine Liquor Emporium. Doch der künstliche Burgfriede würde nur bis morgen halten.
»Ich hoffe bloß, es war keiner von meinen Verwandten, der Ihnen das da verpasst hat.« Tiny zeigte auf die Schusswunde. »Wir sind gar nicht alle so blutrünstig, wie die Engländer erzählen.«
»Wäre ich gar nicht drauf gekommen«, erwiderte Emmanuel. »Sie haben mich heute Abend doch beinahe erledigt. Muss der Kraut in Ihnen sein.«
»Nein! Ehrlich nicht!«, protestierte Tiny, während alle gelöst lachten. »Wir dachten, Sie sind der Perverse. Wer weiß schon, was jetzt passiert, wo der Captain weg ist.«
»Sie haben den Kerl nie geschnappt?«
»Nicht, dass wir wüssten«, sagte Anton. »Der alte Jude hat ein riesiges Tamtam gemacht, aber die Polizei sagte ihm: Vergiss es. Geh nach Hause. Es ist vorbei.«
Tiny trank sein Glas auf einen Zug aus. »Deshalb stört es mich auch nicht, Donny Rooke nach wie vor in meinem Laden zu bedienen. Das weiße Hotel hat ihm Hausverbot erteilt, aber ich finde, er hat seine Strafe abgesessen und sich den Mädchen gegenüber anständig verhalten. Es gefällt mir nicht, was er getan hat, aber ich weiß es nun mal. Die ganze Stadt weiß es.«
»Sie hätten Donny mal sehen sollen, als der Captain neulich abends in den Laden gekommen ist«, erzählte Theo weiter. »Der hatte so eine Angst, dass er sich beinahe in die Hose gemacht hätte. Wäre schön, wenn der Mann, der unsere Frauen belästigt hat, auch so wäre. Stattdessen läuft er frei herum.«
»An welchem Abend war das?«, fragte Emmanuel. Als er die Anwohner befragt hatte, waren Theo und Tiny nicht in der Stadt gewesen. Von ihnen gab es noch keine Aussage.
»Am Mittwoch.« Knurrend warf Tiny sein schlechtes Blatt hin. »Am selben Abend, als der Captain das Zeitliche gesegnet hat.«
»Um wie viel Uhr?«
»Irgendwann nach sechs. Donny war spät dran, und ich habe den Laden nur für ihn noch mal aufgemacht. Er hängt mehr an der Flasche als früher, unser Donny.«
»Und dann kam der Captain vorbei?«
»Ja, einmal im Monat kam er auf ein Fläschchen vorbei. Nur ein Schlückchen.«
»Und Danny hat ihn gesehen?«
»Gehört hat er ihn«, prustete Theo los. »Und sofort hat er sich hinter der Theke versteckt wie ein altes Weib.«
»Wusste Pretorius, dass er da war?«
»Nein. Der Captain ist nicht lange geblieben. Musste noch beim alten Lionel vorbei und sich Würmer besorgen, also ist er wieder los. Donny hat noch eine halbe Stunde oder so herumgelungert, bis er sicher sein konnte, dass der Captain aus der Stadt war.«
Emmanuel warf seine Karten hin und staunte selbst darüber, wie lässig seine Hände das hinbekamen. Donny war wieder auf der Liste. Er hatte die Zeit und die Gelegenheit gehabt, und er hatte ein Motiv.
»Tja, ich bin hinüber. Jetzt brauche ich eine Mütze Schlaf, morgen wird ein langer Tag.«
»Wir auch«, stimmte Tiny zu. »Bei einer Beerdigung muss man manierlich aussehen, soviel weiß ich immerhin noch aus der Missionsschule.«
Anton tippte Harry auf die Schulter. »Zeit zum Aufbruch, Kumpel, wenn du nicht wieder eine Bratpfanne an den Kopf haben willst wie letzte Woche.«
»Nach Hause.« Harry kippte den letzten Rest seines Glases hinunter. »Nach Hause.«
»Ich bringe Sie zurück, Detective«, erbot sich Anton, während sie hinaus auf den Kaffernpfad traten. »Ich muss sowieso Harry nach Hause bringen, und der wohnt
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