Ein Schöner Ort Zum Sterben
viele Stunden harter Arbeit. Meredith kroch auf dem Boden herum, um sich den Schrank von unten zu besehen, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Schubladen. Die beiden rechts und links glitten leicht hinaus und hinein und ließen sich ohne Probleme öffnen, nur die mittlere klemmte. Sie ruckelte die klemmende Schublade erneut heraus. Es war das Besteckfach für die Messer. Es lag nicht flach auf, und jedes Mal, wenn die Schublade geöffnet wurde, verkantete es sich an der Oberseite. Sie packte das Fach und zog es ganz aus der Lade. Kein Wunder, dass es nicht passte! Irgendjemand hatte einen Stapel Papiere daruntergesteckt. Einen kurzen Augenblick verspürte Meredith den Nervenkitzel, etwas Antikes entdeckt zu haben. Doch dann sah sie, dass die Papiere neu waren, nicht alt. Kein aufregender historischer Fund, sondern ein paar handgeschriebene Zeilen auf liniertem Papier. Sie nahm die Blätter heraus.
»Macbeth ist ein trauriges Stück, und es ist ein alter Aberglaube in Theatern, niemals seinen Namen auszusprechen. Im Theater und unter den Schauspielern heißt es stets ›Die schottische Tragödie‹, und wenn irgendjemand das vergisst und den Namen laut sagt, machen die anderen Schauspieler …« Meredith drehte das Blatt um. Es war ein Schulaufsatz, geschrieben in einer jungen, runden Handschrift. Sie legte die Blätter auf den Küchentisch, und nach einem Augenblick des Überlegens ging sie zur Tür, wo auf der Rückseite noch immer Mrs. Prides alter rosafarbener Overall hing. Sie kramte in den Taschen und zog den Fetzen Papier hervor, auf dem Katie Conway die Telefonnummer und die Anschrift ihrer Eltern notiert hatte. Dann saß sie eine ganze Weile mit Katies Notiz in der Hand am Tisch und starrte auf die beschriebenen Blätter. Es ergab keinen Sinn. Es war unmöglich. Und doch. Irgendwie schien es zu passen. Es passte, wenn sie die Probleme und Schwierigkeiten der Conways beiseite schob und ihren Verstand auf die Probleme und Schwierigkeiten konzentrierte, die andere Menschen hatten.
Kurze Zeit später saßen Markby, Helen Turner und Meredith am Küchentisch und untersuchten die Blätter.
»Sieht tatsächlich aus wie die Hausaufgaben des Mädchens«, sagte Helen Turner. Markby nahm Katies Notiz, die Meredith aus dem rosafarbenen Overall gezogen hatte.
»Wir brauchen einen Handschriftenexperten, der uns ein richtiges Gutachten anfertigt. Vielleicht könnte auch Conway die Schrift seiner Tochter identifizieren, oder ein Lehrer in ihrer Schule. Die Englischlehrerin beispielsweise, die ihr den Aufsatz über Macbeth aufgegeben hat.« Er sah zu Meredith auf.
»Sprich bitte zu niemandem darüber, hörst du? Zu keiner Menschenseele! Wir lassen gleich morgen früh die Handschrift untersuchen.«
»Was hältst du von meiner Theorie?«, erkundigte sich Meredith.
»Ich halte deine Theorie für höchst interessant, aber Theorien gewinnen keine Prozesse vor Gericht.« Er sammelte Katies Blätter ein.
»Du hast deinen Teil beigetragen, Meredith, okay? Versuch nicht, weitere Nachforschungen anzustellen, ich bitte dich!«
»Selbstverständlich nicht!«, sagte sie.
»Ich hab dir doch gesagt, ich will nicht mehr und nicht weniger, als meine Wohnung fertig zu streichen.«
»Sicher, aber ich kenne dich, und ich weiß, dass du den Dingen am liebsten immer selbst auf den Grund gehst! Vor allem fass diesen Küchenschrank nicht mehr an, und sag niemandem etwas von deiner Entdeckung! Es ist von allergrößter Wichtigkeit, dass niemand etwas hierüber erfährt.« Er winkte mit dem dünnen Blätterstapel.
»Wollten Sie morgen nicht sowieso wieder nach London fahren?«, erkundigte sich Helen, bemüht, die Entrüstung zu dämpfen, die sich auf Merediths Gesicht abzuzeichnen begann.
»Nein, ich habe den Rest der Woche Urlaub«, sagte Meredith.
»Ich wollte so viel erledigen! Jetzt ist morgen schon Freitag, und ich habe noch nichts geschafft!« Unerwartet lächelte Alan sie an.
»Also, ich weiß nicht. In meinen Augen sieht es aus, als hättest du eine ganze Menge geschafft!« Helen sah ihn an, dann Meredith, dann wieder ihren Vorgesetzten.
»Wenn Sie mich jetzt nicht mehr brauchen, dann bringe ich das hier schon aufs Revier.« Sie nahm die Blätter mit dem Schulaufsatz an sich. Als sie gegangen war, saßen Meredith und Markby noch eine Weile schweigend da.
»Ich sollte jetzt vielleicht auch gehen«, sagte er schließlich.
»Morgen wird sicher ein langer Tag.«
»Wirst du ihn verhaften?«, fragte Meredith mit
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