Ein Schöner Ort Zum Sterben
Tochter in diesem Mausoleum beizusetzen?«
»Das hat sie. Es ist offensichtlich unmöglich. Trotzdem, Adeline scheint einen stark entwickelten Sinn für Familientradition zu besitzen.«
»Den hat sie wirklich!« Meredith missfiel die Art und Weise, wie Maria anzudeuten schien, dass Adelines Sinn für Tradition nichts weiter als ein Zeichen für ihre geistige Instabilität war, und so beschloss sie, für Mrs. Conway Partei zu ergreifen. Sie deutete auf die Familienporträts an der Treppenhauswand.
»Ich finde es immer sehr ergreifend, wenn eine Familie seit Generationen in einem Haus lebt, das sie sich vor langer, langer Zeit selbst erbaut hat. Adeline scheint das Haus unter keinen Umständen verlassen zu wollen. Ich gebe zu, das erscheint mir nicht ganz normal, aber ich kann auch sehr gut nachvollziehen, wie so ein Gefühl zustande kommt. Es ist eine – zugegebenermaßen etwas extreme – Form einer ganz normalen Verbundenheit zu seinen Wurzeln.«
»Von wegen«, sagte die Blondine.
»Hier ist nichts ganz normal, glauben Sie mir!« Sie bemerkte Merediths Blick und erkannte, dass wohl ein etwas mitfühlenderer Ton angebracht war.
»Wir sind alle sehr schockiert über Katies Tod. Es ist eine ganz schreckliche Geschichte. Aber nichts währt ewig, oder? Nicht einmal die Familie Devaux. Vielleicht ist es keine Tradition, die hier benötigt wird, sondern eine gründliche Veränderung.« Sie wandte sich um und führte Meredith zur Vordertür.
»Nun, es war nett, Sie kennen zu lernen, Meredith. Passen Sie auf, wenn Sie zur Straße fahren. Die Schweine sind irgendwo dort draußen unterwegs.«
»Oh, danke. Ich würde diese Schweine wirklich zu gerne einmal sehen.«
»Tatsächlich? Ich würde sie zu gerne alle erschießen!« Die Tür wurde energisch hinter Meredith geschlossen, während sie die Stufen zu ihrem Wagen hinunterging. Dort zögerte sie mit der Hand auf dem Türgriff und warf einen Blick zurück auf die verhängten Fenster. Sie hatte das sichere Gefühl, dass sie beobachtet wurde – vielleicht um sicherzustellen, dass sie tatsächlich das Grundstück verließ. Meredith fuhr langsam zum Tor. Es war ganz und gar unmöglich, jetzt davonzufahren, ohne kurz bei diesem eigenartigen Bauwerk zu halten, das das Leben aller in diesem Haus auf so unglückselige Weise zu beherrschen schien. Es war leicht zu finden. Sie musste nur ein paar Hundert Yards die Straße hinunter. Dort stand die kleine Baumgruppe. Zwei moosbewachsene Torpfosten säumten die Straße, dazwischen verlief der Weg, den Alan ihr beschrieben hatte. Meredith lenkte hinein und schaltete den Motor ab. Unter den Bäumen war es sehr still. Der Boden war aufgewühlt, Zeichen der kürzlichen Aktivitäten der Polizei. Für die zweihundertjährige Geschichte der Kapelle war das Eindringen der Polizisten jedoch nicht mehr als ein kurzer Augenblick gewesen. Das Bauwerk selbst, aus der Nähe betrachtet, wirkte verloren, umso mehr, da es so prunkvoll war. So prachtvoll, und niemand, der es bewundern kann, dachte Meredith voller Ironie. Ein großes neues Vorhängeschloss sicherte die Tür und machte ihre Hoffnung zunichte, das Innere zu erkunden. Meredith umrundete das Mausoleum und hielt mehr als einmal erschrocken inne, wenn es irgendwo in den Bäumen raschelte. Es war ein derart nervenaufreibender Ort, dass es ihr schwer fiel, ihre Fantasie im Zaum zu halten. Sie glaubte, einen unangenehmen Geruch wahrzunehmen. Pah, Einbildung, sagte sie sich entschlossen, sicher nur aufgrund Adelines grausiger Geschichte über das Zuschütten der unterirdischen Krypta. Wenn es einen Geruch gab, dann rührte er vom feuchten Mörtel und dem verrottenden Laub her. Trotzdem fand sie Beweise für Adelines Geschichte, in einem rankenüberwachsenen Schutthaufen an einer Wand. Das musste übrig geblieben sein, nachdem die Arbeiter vor mehr als einem halben Jahrhundert mit ihrem grausigen Werk fertig gewesen waren. Direkt am Fuß des Haufens befand sich der Eingang zu einer Höhle, die irgendein Tier ausgegraben hatte. Knochenreste – nach der Größe zu urteilen hauptsächlich von Kaninchen – lagen um den Eingang verstreut. Ein Fuchsbau? Ein Teil des unangenehmen Geruchs schien aus dem Loch zu kommen. Meredith hatte einige Mühe, auf den kleinen Hügel zu klettern. Immer wieder erschwerten ihr große Brombeerranken und Brennnesseln den Weg. Als sie schließlich oben angekommen war, konnte sie auf Zehenspitzen durch ein verstaubtes Fenster im Mausoleum sehen. Sie drückte die Nase
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