Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryla Krüger
Vom Netzwerk:
übernommen und war sicherlich im Oktogon zugange oder auf seinem Rundgang. Ein paar Minuten nach Finn hatte ich Ryan gehört. Ich wusste, dass er es war, denn seine Schritte hatten vor meiner Tür innegehalten. Ich hörte, wie er meinen Namen sagte, in einem so gequälten Tonfall, dass ich beinahe aufgesprungen wäre. Doch dann entfernten sich seine Schritte von meiner Tür, und ich wusste, dass ich nichts für ihn tun konnte, wenn ich fair bleiben wollte. Und das hatte ich fest vor.
    Dementsprechend war ich nun überrascht, schon wieder Schritte auf dem Gang zu hören. Zuerst dachte ich, es wäre Lucas, doch es klang nicht nach ihm. Ich stand auf und schlich zur Tür. Als ich sie einen Spalt weit öffnete, sah ich gerade noch, wie Severíne in einem weißen Negligé in Ryans Türöffnung verschwand. Ich schloss die Tür wieder, ging ins Bett zurück und wartete.
    Doch sie kam in dieser Nacht nicht wieder heraus.
    Beim Frühstück war Severíne so gut gelaunt, dass sie sich sogar dazu herabließ, mich anzulächeln und mir den Vortritt am Büfett zu lassen. Am liebsten hätte ich sie mit meiner Gabel aufgespießt. Stattdessen stach ich die Zinken in die gebackenen Tomaten und lächelte diabolisch über das Bild in meinem Kopf.
    Das Frühstück am Morgen war zur Selbstbedienung, der Lunch am Nachmittag ebenfalls. Nur abends wurde das Essen höchstpersönlich von Ailsa, Milly und manchmal von einem weiteren Mädchen serviert, an dessen Namen ich mich nicht erinnern konnte. Hattie? Patty? Netty?
    „Du siehst aus, als hättest du gar nicht geschlafen“, sagte Ailsa, die eben eine weitere Kanne mit Tee auf die Anrichte stellte. „Hilft die Salbe nicht?“
    „Doch, doch!“, versicherte ich ihr. „Daran liegt es nicht. Ich konnte einfach nicht schlafen.“
    „Doch nicht etwa wegen des Gespenstes. Ich dachte, du glaubst nicht an so was?“
    „Ach, Ailsa“, antwortete ich. „Wenn es doch nur das Gespenst wäre.“
    „Ryan, he? Hat er noch etwas zu dir gesagt?“
    „Ja, das hat er. Eine ganze Menge sogar.“
    Ailsa hob die Augenbrauen. Ich spürte, dass sie gerne mehr erfahren hätte, und ich hätte ihr eigentlich genauso gern mein Herz ausgeschüttet, doch dies war weder der richtige Ort noch die richtige Zeit, und sosehr ich sie auch mochte – das, was gestern Abend und in der Nacht darauf gesagt und getan wurde, sollte ich lieber für mich behalten.
    „Lass es gut sein, okay?“, bat ich.
    „Wie du willst. Aber wenn du reden möchtest …“
    „Dann finde ich dich.“ Ich lächelte sie dankbar an und widmete mich wieder dem Büfett.
    An das reichhaltige Frühstück hier hatte ich mich schneller gewöhnt, als es meinen Hüften guttat. Doch da es meist erst gegen zwei Uhr nachmittags den Lunch gab, war ich auch in gewisser Hinsicht dazu gezwungen gewesen. Mit Toast, Honig und Orangenmarmelade im Bauch hatte ich oft schon gegen halb eins Magenknurren.
    Ich setzte mich mit meinem Teller an den Tisch und warf Ryan einen Blick aus den Augenwinkeln zu. Vielleicht redete ich es mir ja nur ein, aber ich fand, dass er aussah, als bereute er die letzte Nacht. Gut so! Mit ein wenig mehr Appetit als noch vor fünf Minuten widmete ich mich meinem Frühstück.
    Eine Stunde später fuhren Finn und Lucas nach Inverness, um in der Zweigstelle des Instituts einige neue Geräte abzuholen. Kurz vor ihrer Abfahrt hatte ich sie darum gebeten, dass sie vor Ort noch einmal wegen der Handschriften aus dem Edinburgher Archiv nachfragen sollten, die, wie ich hoffte, langsam auf dem Weg zu uns waren, woraufhin Lucas mir eröffnete, dass Severíne die doch bereits mitgebracht hätte.
    „Die Handschriften sind schon hier?“, fragte ich. „Warum sagt mir das keiner?“
    Lucas warf einen Blick zu Ryan hinüber, der mit Finn am Wagen stand, zuckte mit den Schultern und lächelte mich dann an. „Viel los gewesen in den letzten beiden Tagen.“
    „Auch wieder wahr“, entgegnete ich und nahm mir vor, meinen Stolz und meine Eifersucht hinunterzuschlucken und Ryan um Einblick in die Aufzeichnungen zu bitten.
    Ich schaute zu, wie der Landrover die Auffahrt hinunterbrauste, Split und Steinchen in einer Staubwolke hinter sich aufwirbelte, und wartete, bis Ryan hereinkam.
    Ich wollte wirklich souverän sein, doch als er an mir vorbeiging, sah ich den Fleck an seinem Hals. „Die hat dir glatt ihren Stempel aufgedrückt“, sagte ich, ohne zu überlegen, und starrte das Hämatom an. Ryan blieb stehen und drehte sich zu mir um. Er musterte mich,

Weitere Kostenlose Bücher