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Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryla Krüger
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zusammen. „Ich schätze, man hat sie längst zugemauert.“
    „Das glaube ich nicht! Weißt du noch? Die Nacht, in der ich dem Licht nachgegangen bin? Wo du mich hier aufgegriffen hast und …“
    „Aye. Ich erinnere mich“, knurrte er, strich sich über den Bauch und blickte dann auf die Karte. „Du glaubst, er könnte durch die Geheimtür verschwunden sein?“
    „Ja! Bitte! Du musst mir glauben, dass da jemand war. Und wenn, dann muss er durch eine Tür entkommen sein. Ich vermute, dass sich hier irgendwo ein Hebel oder so was befindet, der den Mechanismus in Kraft setzt, um die Tür zu öffnen.“
    Ryan sah mich an. Ich erwiderte den Blick standhaft, auch als mir ein Schauer den Rücken hinunterlief, weil mein Verstand mich ganz dezent darauf hinwies, dass er unter dem schwarzen Hemd nichts weiter anhatte. Halt die Klappe!, sagte ich mir still. Das ist jetzt weder der richtige Moment noch der richtige Ort!
    „Na gut!“, meinte er und faltete die Karte wieder auseinander. „Die Tür ist angeblich etwa an dieser Stelle.“ Er wies auf das Gemälde. „Warte! Ich hebe das Bild herunter. Hier! Nimm du sie!“ Er gab mir die Karte, griff mit beiden Händen nach dem mit Blattgold überzogenen Bilderrahmen und hob unter einigen Mühen das große Gemälde von der Wand, drehte sich herum und wollte es gerade abstellen, als mein Freudenschrei ihn vor Schreck fast umwarf.
    „Was ist?“, rief er und suchte mit wildem Blick die Wand ab.
    „Vorsicht! Ryan, stell es bitte mit der Rückseite zur Wand! Ja! Das ist es! 1864! Oh mein Gott! Es befand sich all die Jahre hier in diesem Raum, und niemand wusste davon.“ Ich hockte mich vor das Bild und fuhr mit den Fingern immer wieder über die Worte:
    Für Annie! Leben heißt lieben. Sam.
    „Du und diese Annie … Jo, ich mache mir langsam Sorgen.“
    „Verstehst du nicht?“, rief ich aus und starrte ihn an. „John Fallon Fraser hat dieses Bild gemalt. Es gilt seit vielen Jahren als verschollen. Das Mädchen am Brunnen! Ryan! Das ist Annie Guthrie!“
    „Warte! Geh ein Stück beiseite! Ich drehe es wieder um.“
    Ich saß auf dem Fußboden, beobachtete Ryan dabei, wie er das Gemälde umdrehte, und starrte dann voller Begeisterung das Mädchen auf dem Brunnenrand an. Annie Guthrie hatte langes, rotbraunes Haar, das in kleinen Ringellocken bis weit über die Schultern reichte, und grasgrüne Augen. So grün wie Ryans Augen.
    „Was ist das?“, fragte Ryan plötzlich, nestelte am Rahmen herum, zog einen kleinen, verrosteten Schlüssel aus dem Holz des Rahmens und hielt ihn vor sich in die Höhe.
    „Das ist ein Schlüssel“, sagte ich unnötigerweise.
    Nach einigem Suchen fanden wir das dazu passende Schlüsselloch hinter der Fußleiste. Der Schlüssel drehte sich leichter als gedacht, und vor unseren Augen schwang eine kleine, völlig unscheinbare Tür auf, die so perfekt in die holzvertäfelte Wandverkleidung eingelassen war, dass sie bei bloßem Hinsehen nicht zu erkennen und auch nicht zu fühlen war.
    „Ähm, Ryan? Habe ich schon mal erwähnt, dass ich ein bisschen unter Klaustrophobie leide?“, fragte ich und blickte skeptisch in den finsteren und für mich viel zu schmalen Gang.
    „Nein, aber … Moment! Wir brauchen erst einmal Licht.“ Er ging hinüber zum Kamin und nahm den Kandelaber herunter, zündete die Kerzen an und lächelte mir zu. „Soll ich vorangehen?“
    „Ja, bitte! Aber sei vorsichtig! Hörst du?“
    „Warum? Glaubst du, Annie Guthrie steht da irgendwo mit einem Beil und wartet darauf, dass zufällig jemand vorbeikommt?“
    „Machst du dich mal wieder über mich lustig?“
    „Aye“, sagte er und zwinkerte wie eine Eule. „Aber du bietest mir heute auch einigen Anlass dazu.“
    „Wenn du auf heute früh anspielst, Ryan McKay … Ich dachte, wir hätten beschlossen, das zu vergessen?“
    Er stieß lachend die Luft durch die Nase, ging voran, und ich überlegte kurz, ob ich hinter ihm die Tür zuwerfen sollte, doch dann folgte ich ihm grummelnd.
    Der Gang wurde nach etwa fünf Metern endlich luftiger und höher. Ich drehte mich ein paarmal zurück, um bange Blicke auf die Tür zu werfen, als ich plötzlich gegen Ryan stieß.
    „Hey! Pass auf, wo du hinläufst!“, warnte er, hob den Kandelaber an und entzündete eine alte Öllampe, die an der Wand hing.
    „Entschuldige!“, meinte ich und schaute mich um.
    Der Gang endete in einem Raum, von dem aus eine schmale Wendeltreppe irgendwo in die Tiefe führte. An den grauen Steinwänden

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