Ein Schuss Liebe kann nicht schaden
die Pferde versorgten, fragte er: „Wie geht es Annie?“
„Sie lacht.“ Phineas hörte sich an, als wüsste er nicht, ob er sich darüber freuen oder erschüttert sein sollte.
„Sie lacht?“
„Hope hatte Sorge, weil du so lange weggeblieben bist. Deshalb hat sie das Medizinbuch aus dem Regal gezogen und wollte, dass ich es ihr vorlese.“
„Warum hat sie nicht Annie gefragt?“
Phineas hob den Sattel vom Pferd und legte ihn auf den Sattelhalter. „Sie behauptete, dass die Bilder Annie Angst machen würden. Ich habe ihr gesagt, dass Annie doch nur auf die Wörter und nicht auf die Bilder achten kann.“
Für diese Antwort hat er bestimmt einen feurigen Blick aus ihren großen Augen geerntet. Aber jetzt war nicht die Zeit, sich über Phineas lustig zu machen. Wahrscheinlich hätte er in der gleichen Situation ähnlich reagiert. „Und was hat Annie gemacht?“
„Die saß auf der obersten Treppenstufe in ihrem Morgenmantel und hat gelacht. Gelacht!“
Oh nein. Ich hatte gehofft, dass der erste Schock schon vorbei wäre. Wenn sie immer noch hysterisch ist, wie soll das erst später werden, wenn es richtig heftig wird? Jakob räusperte sich. „Hat Hope alle Handtücher und Geschirrtücher bereitgelegt?“
„Und das Wasser zum Kochen auf den Herd gestellt. Da saß ich also mit dem dicken Buch auf dem Schoß, und Hope erklärt mir, wo ich die Informationen finde.“
„Gut. Sehr gut.“ Dann ist es also gar nicht so schlimm. Hope kümmert sich um die wichtigen Dinge. Wie konnte ich nur daran zweifeln? Sie verliert nicht so schnell den Überblick. „Es macht doch Sinn, dass sie dich gebeten hat, ihr vorzulesen. Ich habe ihr auch schon daraus vorgelesen.“
Endlich breitete sich doch ein breites Grinsen auf Phineas’ Gesicht aus. „Ja. Sie sagte mir, dass ich die Informationen über die Geburt in dem Buch unter einem verrückten Namen suchen müsste und der sei ‚Gib den Bären.‘“
„Gib ...“ Ungläubig lachte Jakob auf. „Gebären. Diese Hope! Nur Hope konnte –“
„Es so verdrehen. Annie hat es gleich verstanden. Sie und Hope haben die ganze Zeit gekichert.“
„Lachen ist doch besser als Weinen.“ Jakob füllte etwas Hafer in die Futterkrippen. „Als Hope hier ankam, hat sie Annie gesagt, sie würde für eine leichte Geburt beten.“
„Dafür bete ich auch.“ Die Fröhlichkeit war aus Phineas’ Gesicht und seiner Stimme gewichen. Mit geballten Fäusten in die Hüfte gestemmt zischte er: „Ein Kind sollte in ein Haus mit liebenden Eltern hineingeboren werden.“
Dieser Gedanke war Jakob auch schon unzählige Male gekommen. Er antwortete so entschlossen und beruhigend, wie er immer mit seiner Schwester redete: „Dem Kind wird es nicht an Liebe fehlen.“
„Ich habe nachgedacht.“ Phineas beugte sich vor. Seine Augen funkelten wild und sein Gesicht war hochrot. „Um Annie und das Baby zu schützen könnte ich behaupten, dass es mein Kind ist. Dann würde Konrad sich von ihr trennen und sich scheiden lassen. So könnte sie hierbleiben und –“
„Nein.“ Obwohl Jakob den Plan ablehnte, war es doch eine Versuchung. Wenn er funktionierte, dann wäre Annie Konrad endlich los – aber zu welchem Preis? „Das kann ich nicht zulassen. Das werde ich nicht zulassen.“ Jakob schüttelte den Kopf. „Du meinst es gut, aber es ist einfach nicht richtig.“
„Es ist doch besser, wenn Annie ihn los ist und –“
„Als eine Ehebrecherin und geschiedene Frau gebrandmarkt ist?“
„Ich würde sie heiraten.“ Phineas bellte die Worte fast.
Jakob sah ihm direkt in die Augen. „Man kann ein Übel nicht dadurch berichtigen, indem man eine andere schlechte Tat begeht. Mit deinem Verstand willst du meine Schwester retten, aber in deiner Seele weißt du, dass das nicht der richtige Weg ist.“
„Warum sollte Gott seiner Tochter erlauben, so einen schlechten Mann zu heiraten?“
„Das weiß ich nicht. Genauso wie ich nicht verstehe, warum er mir meine Frau und meinen Sohn genommen hat.“
Phineas blickte zur Seite. Er senkte den Kopf und seufzte abgrundtief. „Ich werde nie etwas darüber zu Annie sagen. Du musst dir deshalb keine Sorgen machen.“
„Gibst du mir dein Wort darauf?“ Wenn er das nicht tat, dann würde Jakob ihn entlassen müssen. Sosehr er Phineas ’ Hilfe auch brauchte, dann hätte er keine andere Wahl.
„Ich verspreche es dir“, sagte Phineas langsam. „Annie trägt sowieso schon eine unglaubliche Last. Wenn diese Last dadurch noch größer werden
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