Ein Schuss Liebe kann nicht schaden
sie besser nach oben bringen und sie in dein Bett legen, damit ihr nichts passiert.“
Emmy-Lou riss erschrocken die Augen auf, umklammerte ihre Puppe ganz fest und rannte nach oben.
Hope richtete sich wieder auf und wischte so ganz nebenbei etwas Mehlstaub von ihrer Schürze. „Annie, da du die Frauen hier alle kennst, ist es sicher das Beste, wenn du heute in der Küche bleibst. Ich werde mich um die andere Hälfte der Arbeit da draußen kümmern. Dann kommen wir uns auch nicht so in die Quere.“ Sie sah Jakob direkt an. „Meinen Sie das nicht auch, Mr Stauffer?“
„Auf jeden Fall!“
Annie flüsterte mit rauer Stimme: „Was soll ich nur tun? Was soll nur aus mir werden?“
„Bleib einfach im Haus. Das ist das Beste.“ Jakob blickte kurz zu Hope, dann schob er seine Hand unter Annies Kinn, damit sie ihn ansah. „Ich habe viel gebetet, dass Gott dich beschützt. Genauso wie er David in Jonathan einen Freund geschickt hat, so hat er Hope hierhergeschickt, damit sie mir hilft, dich zu beschützen.“
„Ganz genau. Wir haben keine Zeit hier lange herumzureden, deshalb sage ich es dir ganz direkt.“ Hope stellte sich dicht neben Annie und legte ihr den Arm um die gerundeten Hüften.
Annie lehnte sich an Hope, als könnte sie ihr Schutz vor ihren Ängsten bieten.
„Annie, gestern hatte ich so ein komisches Gefühl. Erinnerst du dich noch, dass ich rausgegangen bin, um mit deinem Bruder zu reden? Nun, der Herr hat mir gezeigt, dass du eine ganz besondere Last zu tragen hast.“
Aus Annies Mund kam ein kleines Stöhnen.
Hope hielt Annie immer noch im Arm und streichelte ihr mit der freien Hand übers Gesicht. „Shhh“, murmelte sie. Als Hope Jakob mit ihren warmen braunen Augen ansah, war das für Jakob wie ein Versprechen, dass sie mit ihm zusammen auf seine verängstigte Schwester aufpassen und sie beschützen würde.
Hope senkte den Blick wieder und flüsterte: „Gott hat mir das wohl absichtlich gerade jetzt aufs Herz gelegt, Annie – genau zur richtigen Zeit. Er wollte sichergehen, dass du beschützt wirst. Wir können nichts anderes tun, als uns gegenseitig zu lieben und uns auf den Herrn zu verlassen. Ich schätze, deshalb hat Gott mich überhaupt hierhergeschickt – wie dein Bruder schon gesagt hat, eine Freundin, die auf dich aufpasst.“
„Aber was kannst du schon tun?“
Jakob wartete erst gar nicht auf Hopes Antwort. „Genauso wie Jonathan David vor Saul versteckt hat, so kann Hope dich jetzt verstecken.“ Mit diesen Worten versuchte Jakob nicht nur seine Schwester zu beruhigen, sondern auch sich selbst. „Hope hat ganz recht.“
„Wo wir gerade dabei sind ...“ Hope streckte ihr Kinn trotzig nach vorne. Es war nur eine kleine Bewegung, aber irgendwie machte sie Jakob neuen Mut. Hopes Stimme klang fest. „Normalerweise benutze ich immer meinen Karren, um mit Hattie vormittags Wasser und Essen aufs Feld zu den Arbeitern zu bringen.“
Jakob verstand sie sofort. Hope wechselte das Thema, um Annie von ihren eigenen Ängsten abzulenken und auf neue Gedanken zu bringen. „Hattie ist wirklich ein gutes Maultier, Hope, aber ich werde sie heute morgen nicht brauchen. Die meisten Nachbarn werden mit ihren Pferden kommen. Wir werden bestimmt mehr als genug Pferde für die Wagen und die Maschinen haben. Ich werde Hattie für dich vor deinen Karren spannen.“
„Nee. Sie haben schon mehr als genug zu tun, und Hattie und ich arbeiten gut zusammen. Ich schaff das schon.“ Hope lächelte Annie aufmunternd zu. „Ich schätze, wir sollten jetzt besser noch ein paar Kannen Kaffee kochen und das Maisbrot in den Ofen schieben. Wenn du das machen könntest, Annie, dann geh ich raus ins Brunnenhaus und hole die Hühner, die wir gestern Abend geschlachtet haben.“
Emmy-Lou kam die Treppe herunter. „Puppi macht jetzt einen Mittagsschlaf, und ich hab das Tuch geholt.“ Sie hielt das rote Tuch in ihrer Hand hoch.
Hopes haselnussbraune Augen funkelten und sie flüsterte: „Sie ist so ein süßes Mädchen. Jedes Mal wenn ich sie sehe, freue ich mich, dass sie so gerne hilft.“
* * *
Immer mehr Männer strömten in den Hof. In der Erntezeit sprühten die Männer geradezu vor Energie und Begeisterung. Überall standen Männer in abgewetzten Overalls und Jeans herum, murmelten aufgeregt und lachten laut. Es war wie eine Bruderschaft. Jeder Farmer wusste, dass alle ihr Bestes auf seiner Farm geben würden, genauso wie er als Gegenleistung auf den anderen Farmen sein Bestes geben
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